Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung. Einkommensanrechnung. Selbständigkeit. keine nachträgliche Veränderung durch den Einkommenssteuerbescheid
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abgrenzung von § 45 SGB 10 und § 48 SGB 10.
2. Grobe Fahrlässigkeit in Fällen unrichtiger Angaben hinsichtlich der Erklärung des steuerrechtlichen Gewinns bei Einkommen aus Kommanditbeteiligung.
3. Einkommen eines Selbständigen iSd § 34 Abs 2 SGB 6 ist nicht erst "erzielt", wenn der Einkommensteuerbescheid für das betreffende Betriebsjahr vorliegt (Abweichung von LSG Essen vom 25.7.2005 - L 3 RJ 111/04 und LSG Celle-Bremen vom 30.5.2007 - L 2 KN 12/07, sowie SG Oldenburg, Urteil vom 7.3.2012 - S 81 R 241/11). Es ist grundsätzlich von Monat zu Monat zu betrachten, ob die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird.
4. Offen gelassen: Ob Einkommen aus einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft als Einkommen iS des § 34 SGB 6 zu werten ist.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 13.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2007 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Der am G. geborene Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid über 21.578,56 Euro. Er wehrt sich gegen die Anrechnung von Einkommen aus seiner Kommanditistenstellung auf die ihm gezahlte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in der Zeit vom 01.10.2004 bis zum 31.03.2006.
Der Kläger ist als freiberuflicher Journalist. tätig. Zudem ist er Kommanditist der Anteilsgemeinschaft I. GmbH & Co. KG. Die Einnahmen aus dieser GmbH & Co. KG werden steuerrechtlich als Einkommen aus Gewerbebetrieb bewertet. Diese Einnahmen betrugen im Veranlagungsjahr 2004 19.233,00 Euro (Einkommenssteuerbescheid vom 15.12.2005), in 2005 19.185,00 Euro (Einkommenssteuerbescheid vom 13.09.2007), in 2006 6.837,00 Euro (Einkommenssteuerbescheid vom 08.11.2010).
Am 08.06.2004 beantragte der Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Im Rahmen des Antragsverfahrens beantwortete er die Frage, ob er ab Rentenbeginn Arbeitsentgelt oder steuerrechtlichen Gewinn erzielen werde, mit “Ja„. Unter Bemerkungen fügte er hinzu, dass er gegenwärtig noch als selbständiger Journalist tätig sei. Zusätzlich füllte er die “Bescheinigung/Erklärung zum Antrag auf Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres„ aus (Formular R230). Hier gab er an, dass der jährliche Verdienst nicht die Jahreshöchstgrenze von 4.830,00 Euro überschreite. Monatliche Einkommensangaben seien ihm nicht möglich, da die selbständige Tätigkeit zeitlich starken Schwankungen unterliege.
Mit Schreiben vom 21.06.2004 machte die Beklagte den Kläger darauf aufmerksam, dass die Hinzuverdienstgrenzen auch bei Selbständigen monatlich zu prüfen seien. Dies bedeute, es werde Monat für Monat das im jeweiligen Monat erzielte Arbeitseinkommen aus der selbständigen Tätigkeit den maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen gegenüber gestellt. Daraus ergebe sich, so die Beklagte, dass es nicht ausreiche, wenn er erkläre, das Einkommen würde unterhalb der zulässigen Hinzuverdienstgrenzen bleiben. Vielmehr sei das zukünftige Einkommen gewissenhaft zu schätzen. Der Kläger füllte daraufhin die Bescheinigung/Erklärung zum Antrag auf Altersrente (Formular R230) erneut aus. Unter Ziffer 3 des Formulares heißt es (Zitat):
"Erklärung bei steuerrechtlichem Gewinn (bei selbständig Erwerbstätigen)
Hiermit erkläre ich, dass ich während des Rentenbezuges einen nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechtes ermittelten Gewinn erzielen werde. Für die Höhe des voraussichtlichen Gewinns ist eine gewissenhafte Schätzung vorzunehmen (ggf. Bescheinigung des Steuerberaters bitte beifügen). Versorgungsleistungen sind dabei unberücksichtigt zu lassen".
Dem folgt eine Tabelle mit den Spaltenüberschriften “Art der Einkünfte„ und “voraussichtliche Höhe monatlich„. In der ersten Spalte in der Zeile “Einkünfte aus der selbständigen Arbeit„ fügte der Kläger “Journalist„ und den Betrag von “340,00 Euro„ ein. Die Zeilen "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" und "Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft" füllte der Kläger nicht aus. Beim Ausfüllen des Formulars war ihm Herr J., ein befreundeter Diplomökonom, behilflich.
Mit Bescheid vom 02.08.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit beginnend ab dem 01.10.2004 in Höhe von 1.822,06 Euro. In Anlage 19 Seite 1 unter der Überschrift "Darstellung der Hinzuverdienstgrenzen" erläutert die Beklagte: "Eine Rente wegen Alters kann bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres bei gleichzeitiger Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit nur geleistet werden, wenn das erzielte Einkommen (Bruttoverdienst aus Beschäftigung bzw. Gewinn aus selbständiger Tätigkeit) sich im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Hinzuverdienstmöglichkeiten hält." Die Hinzuverdienstgrenze liege für eine Vollrente bei 345,00 Euro. Das exakte Zugan...