Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe in anderen Lebenslagen. Hilfe in sonstigen Lebenslagen. Kostenübernahme für die Beschaffung bzw Verlängerung eines ausländischen Passes. kein atypischer Bedarf

 

Orientierungssatz

1. Nach der Rechtsprechung des BSG ist Voraussetzung für einen Anspruch nach § 73 SGB 12, dass eine besondere, atypische Lebenslage vorliegt, die eine Nähe zu den anderen im Fünften bis Neunten Kapitel des SGB 12 geregelten Bedarfslagen aufweist (vgl BSG vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 15).

2. Eine derartige besondere, atypische Lebenslage liegt hinsichtlich der Übernahme von Passbeschaffungskosten nicht vor.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten zur Passbeschaffung.

Die 1927 und 1928 geborenen Kläger sind russische Staatsangehörige und halten sich dauerhaft in Deutschland auf. Sie beziehen von der Landeshauptstadt Hannover (LHH) laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Am 16.10.2010 beantragten die Kläger bei LHH die Übernahme von Kosten zur Verlängerung ihrer Heimatpässe. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 28.10.2010 abgelehnt. Am 11.11.2010 verlängerten die Kläger ihre Pässe beim Generalkonsulat der Russischen Föderation in Hamburg. Hierfür sind Kosten in Höhe von insgesamt 235,18 € angefallen.

Gegen den ablehnenden Bescheid der LHH legten die Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21.02.2011 zurückgewiesen wurde.

Die Kläger haben 23.03.2011 Klage erhoben.

Sie tragen im Wesentlichen vor, die Kosten für die Verlängerung des Heimatpasses seien nicht im Regelsatz nach dem SGB XII erhalten. Sie meinen, die Kosten seien ihnen gem. § 73 SGB XII zu erstatten.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Landeshauptstadt Hannover vom 28.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2011 zu verurteilen, den Klägern einen Betrag in Höhe von 235,18 Euro als Beihilfe zu bewilligen, hilfsweise die Klägerin nach Auffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, die Entstehung der Kosten für die Passverlängerung sei keine von § 73 SGB XII erfasste Bedarfslage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Grundlage der Entscheidungsfindung geworden.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Landeshauptstadt Hannover vom 28.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 21.02.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Ihnen steht ein Anspruch auf Übernahme der verauslagten Kosten für die Verlängerung des Heimatpasses oder auf erneute Bescheidung nicht zu.

Unabhängig von der Frage, ob die Kosten für die Beschaffung oder Verlängerung von Ausweisdokumenten im streitgegenständlichen Zeitpunkt im Regelsatz nach dem SGB XII enthalten waren, kommt als Rechtsgrundlage für die Kostenübernahme als Beihilfe nur die Vorschrift des § 73 SGB XII in Betracht. Dessen Voraussetzungen liegen indes hier nicht vor.

Nach § 73 SGB XII können in sonstigen Lebenslagen Leistungen auch erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Geldleistungen können als Beihilfe oder Darlehen erbracht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist Voraussetzung hierfür, dass eine besondere, atypische Lebenslage vorliegt, die eine Nähe zu den anderen im 5. bis 9. Kapitel des SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist (BSG, Urteil vom 28.10.2009, B 14 AS 44/08 R, m. w. N., juris).

Hinsichtlich der Übernahme von Passbeschaffungskosten liegt eine derartige besondere, atypische Lebenslage nach Auffassung der Kammer nicht vor. Denn die Übernahme von Passbeschaffungskosten weist keine Nähe zu den Hilfen bei Gesundheit nach dem 5. Kapitel des SGB XII, der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem 6. Kapitel, der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel oder der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach dem 8. Kapitel auf (a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.07.2012, L 9 AS 563/12 B ER, juris).

Die Verpflichtung zur Passbeschaffung ist insbesondere keine besondere soziale Schwierigkeit im Sinne des § 67 SGB XII. Denn die §§ 67 ff. SGB XII enthalten ein spezielles Hilfsangebot für Personen, bei denen komplexe Problemlagen vorliegen, die sich durch eine Verbindung von besonderen Lebensverhältnissen mit sozialen Schwierigkeiten kennzeichnen. Darunter sind insbesondere die persönliche Betreuung sowie Hilfen zur Erlangung oder zur Sicherung des Arbeitsplatzes oder zur Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung zu fassen (§ 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII; § 1 Abs. 1 und 3 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung beson...

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