Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Versicherungspflicht. Landwirtschaftliches Unternehmen. Viehhaltung in Verbindung mit Bodenbewirtschaftung. Kleinstbetrieb mit drei Reitpferden. jährliches Abmähen von 3,38 ha Grünland. Entsorgen des überschüssigen Aufwuchses. Beweidung durch die Freizeitpferde. sozialgerichtliches Verfahren. keine Kostenfreiheit: Klage des landwirtschaftlichen Unternehmers gegen die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Unternehmen der Landwirtschaft gehören auch diejenigen der Viehhaltung, wenn diese mit einer versicherten Bodenbewirtschaftung im Zusammenhang steht. Das einmal jährliche Abmähen von 3,38 ha Grünland und Entsorgen des überschüssigen Aufwuchses stellt eine versicherungspflichtige bodenbewirtschaftende Tätigkeit dar. Dies gilt auch für die Beweidung der Fläche durch drei Pferde.
2. Wendet sich ein Unternehmer gegen die Mitgliedschaft in der Versicherung nach §§ 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a, 123 Abs 1 Nr 1 SGB 7, klagt er nicht in seiner Eigenschaft als kostenprivilegierter Versicherter iSv § 183 SGG. Das Verfahren ist daher kostenpflichtig nach § 197a SGG.
Orientierungssatz
Auch für Viehhaltung in Zusammenhang mit der Bodenbewirtschaftung gilt, dass für die Feststellung eines landwirtschaftlichen Unternehmens die Motivation des Betreibers (Gewinnerzielung, Freizeitgestaltung, Hobby, Therapiezwecke) unbeachtlich ist (vgl LSG Essen vom 13.7.2005 - L 17 U 1/05)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Klageverfahrens.
3. Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Unfallversicherung als landwirtschaftlicher Unternehmer.
Der Kläger erwarb zum 01.10.2019 den ... bei .... mit Stallgebäuden, Reitplatz und 3,38 Hektar (ha) Grünland. Auf Nachfrage der Beklagten teilte er mit, er habe eine private Pferdehaltung mit drei eigenen Pferden, Futter werde zu 100% zugekauft.
Mit Aufnahmebescheid vom 14.02.2020 stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit ab 01.10.2019 fest. Das Unternehmen wurde wie folgt erfasst: 3,38 ha Grünland und drei Freizeittiere.
Am 20.08.2020 legte der Kläger Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2020 als unbegründet zurück. Der Widerspruch sei zwar verfristet, es werde jedoch zur Vermeidung eines Zugunstenverfahrens gleichwohl in der Sache entschieden. Der gesetzlichen landwirtschaftlichen Unfallversicherung (LUV) unterlägen nach § 123 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) alle land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen, einschließlich der den Zielen des Natur- und Umweltschutzes dienenden Landschaftspflege. Ein landwirtschaftliches Unternehmen im Sinne der gesetzlichen LUV liege dann vor, wenn eine Bodenbewirtschaftung von Grundstücken erfolge, wobei Bodenbewirtschaftung der Inbegriff der Tätigkeiten sei, welche der Besitzer (Eigentümer, Pächter usw) der Fläche(n) zum Zweck einer überwiegend planmäßigen Aufzucht von Bodengewächsen auf eigene Rechnung aufwende. Darüber hinaus unterliege auch die den Zielen des Natur- und Umweltschutzes dienende Landschaftspflege der gesetzlichen LUV. Hierunter verstehe man die extensive, eingeschränkte Nutzung von Grundstücken im Sinne der Bodenpflege, wie sie zum Beispiel durch ein bloßes Abmähen eines Wiesengrundstückes ohne weitere Verwendung der Mahd erfolge (unter Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫ 18.01.2011, B 2 U 16/10 R). Die Größe des Grundbesitzes, der bewirtschaftet oder gepflegt werde, sei unbedeutend. Der Bodenbewirtschaftung zuzurechnen sei eine Pferdehaltung nach der Rechtsprechung dann, wenn die Pferde zu Zuchtzwecken, zur Mast oder als Arbeitspferde gehalten werden (BSG 07.11.2000, B 2 U 42/99 R). Sofern dies nicht der Fall sei, könne es sich im Rahmen der Reittierhaltung um ein Nebenunternehmen der Landwirtschaft handeln. Vorliegend sei es naheliegend, bei einer Grünlandfläche von 3,38 ha die darauf erfolgte Reitpferdehaltung als landwirtschaftliches Nebenunternehmen zu qualifizieren, da die Grünflächenbewirtschaftung als Hauptunternehmen anzusehen sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein (01.07.2015, L 8 U 10/14) aus der Rechtsprechung des BSG gefolgert habe, dass jede Art der Pferdehaltung zumindest dann der Zuständigkeit der LUV unterliege, wenn mit ihr ein Minimum an Bodenbewirtschaftung einhergehe. Hierfür sei bereits das Abweiden der Fläche durch die Pferde bzw auch die naturgemäße Düngung der Grünflächen ausreichend. Dass auf einer Weide gehaltene Pferde hier auch das Gras abfressen und eine entsprechende Bodendüngung erfolge, liege in der Natur der Sache, weshalb dann von Bodenbewirtschaftung durch die Pferdehaltung auszugehen sei.
Hiergegen richtet sich die am 20.11.2020 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Zur Begründung wird vorgetragen, der Kläger habe 2019 einen Pferdehof gekauft,...