Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzung der Mittelgebühr bei einer Untätigkeitsklage

 

Orientierungssatz

1. Bei der Beurteilung der für das sozialgerichtliche Verfahren angemessenen Gebühr ist von der Mittelgebühr auszugehen.

2. Eine Untätigkeitsklage eröffnet keinen unmittelbaren Weg zur Erlangung der begehrten Sozialleistung. Sie ist ein rein prozessuales Instrument zur Beschleunigung des Verfahrens. Die materielle Rechtslage hinsichtlich des Inhalts braucht vom Kläger nicht dargelegt zu werden. Eine Kürzung der Mittelgebühr um 21 % ist daher angemessen.

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3.4.2006 dahingehend abgeändert, als die von der Beklagten dem Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 435,58 Euro zuzüglich 4 % Zinsen hieraus ab 19.10.2005 (Eingang des Antrags bei Gericht) festgesetzt werden.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die Beklagte dem Kläger Kosten zu erstatten hat.

Nachdem der Kläger am 22.08.2005 Untätigkeitsklage erhoben hatte, erließ die Beklagte den begehrten Widerspruchsbescheid am 22.09.2005. Mit Schriftsatz vom 28.09.2005 an das Sozialgericht Karlsruhe erklärte sie sich bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang zu erstatten. Mit Schreiben vom 10.10.2005 erklärte der Kläger daraufhin den Rechtsstreit für erledigt.

Mit Kostennote vom 18.10.2005 machte die Prozessbevollmächtigte des Klägers folgende Kosten geltend:

Verfahrensgebühr gem. § 14 Abs. 1 RVG, Nr. 3102 VV

197,50 Euro

Terminsgebühr gem. § 14 Abs. 1 RVG, Nr. 3106 VV

158,00 Euro

Erledigungsgebühr gem. § 14 Abs. 1 RVG, Nr. 1005/1006 VV

150,00 Euro

Auslagenpauschale

20,00 Euro

16 % Mehrwertsteuer

84,08 Euro

609,58 Euro

Mit Schreiben vom 19.10.2005 teilte die Beklagte mit, dass sie bereit sei, Kosten in Höhe von 284,20 Euro zu erstatten. Zur Begründung führte sie aus, im Hinblick auf den Umfang und die Schwierigkeit der rechtsanwaltlichen Tätigkeit im Hauptsacheverfahren, das lediglich auf die Erteilung eines Bescheides gerichtet gewesen sei, halte sie unter Berücksichtigung der sonstigen Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG die Ansetzung einer Gebühr nach Nr. 3102 VV von 125,00 Euro und nach Nr. 3106 VV von 100,00 Euro für angemessen.

Außerdem sei für dieses Verfahren keine Erledigungsgebühr Nr. 1006 angefallen. Die bloße Einlegung einer Klage und deren Begründung seien ebenso wenig geeignet diesen Gebührentatbestand zu erfüllen, wie eine bloße Erledigungserklärung.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.04.2006 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die dem Kläger zu erstattenden Kosten auf 284,20 Euro nebst vier Prozent Zinsen hieraus seit dem 19.10.2005 nach Maßgabe der bereits von der Beklagten getroffenen Kostenaufstellung fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Antrag vom 18.10.2005 hätte nicht entsprochen werden können, da er unbillig gewesen sei. Der Umfang und die Schwierigkeit der Tätigkeit der Rentenberaterin seien gering gewesen. Die Streitsache hätte keine rechtlichen Schwierigkeiten enthalten. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger erreiche den Durchschnittsfall nicht. Mit der Untätigkeitsklage sei lediglich die Erteilung eines Widerspruchsbescheides - unabhängig davon, ob dieser für den Kläger positiv oder negativ ist - begehrt worden. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte sei von durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers auszugehen. Angemessen seien daher nur eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 125,00 Euro und eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 100,00 Euro. Eine besondere, auf die Erledigung ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Mitwirkung der Prozessbevollmächtigten des Klägers, welche die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG auslöse, sei nicht festzustellen.

Hiergegen richtet sich die am 08.05.2006 beim Gericht eingegangene Erinnerung des Klägers. Hierin führt die Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, dass begründete Anhaltspunkte für eine Unbilligkeit i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht bestünden. Die Bedeutung des Rechtsstreits sei für den Kläger überdurchschnittlich gewesen. Es sei nicht nur um die reine Verbescheidung gegangen, sondern um die zügige Klärung der einzelfallbezogenen persönlichen und finanziellen Situation und damit Beseitigung der nervlich belastenden fortdauernden Unklarheit über eine Rentenberechtigung. Diese Bedeutung der Sache sei auch in einem Verfahren wegen Untätigkeit zu berücksichtigen. Sie sei im Rahmen des Rechtsstreits umfangreich tätig geworden, habe unter anderem die Sach- und Rechtslage mit der Beklagten mehrmals telefonisch erörtert und somit sich überdurchschnittlich um Beilegung des Rechtsstreits bemüht. Die Gebühren für die Verfahrens- und Terminsgebühr seien daher mit den geltend gemachten Ansätzen unterhalb der jeweiligen Mittelgebühr begründet. Sie entsprächen auch aktueller Rechtsprechung, wie z. B. SG Aachen S 11 RJ 90/0...

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