Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung nach Betriebsaufgabe. Arbeitgeber. Prüfungsduldungspflicht bei Schließung des Betriebes. Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen. Verhältnismäßigkeit und Zulässigkeit der Betriebsprüfung im Rahmen der vierjährigen Regelverjährung von Beitragsansprüchen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Prüfungspflicht für die zuständige Prüfstelle als auch die Prüfungsduldungspflicht der Arbeitgeber enden nicht mit der Schließung des Betriebes.
2. Das Interesse, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern, kann nicht durch eine Betriebsaufgabe ex tunc entfallen.
3. Mit der vierjährigen Regelverjährung von Beitragsansprüchen der Sozialleistungsträger korrespondiert die Verpflichtung der Rentenversicherungsträger, die Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV mindestens alle vier Jahre vorzunehmen. Eine Betriebsprüfung ist zumindest im Rahmen dieser zeitlichen Verjährungsregel verhältnismäßig und zulässig.
Orientierungssatz
Az beim LSG Stuttgart: L 8 R 648/17.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung der Beklagten, Unterlagen für die bei dem Kläger beabsichtigte Betriebsprüfung für die Zeit ab dem 01. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012, vorzulegen.
Der Kläger betrieb bis zum 31. Dezember 2012 eine ..., für die er im Jahre 2012 Arbeitnehmer gemeldet hatte.
Durch Schreiben vom 12. Februar 2016 forderte die Beklagte den Kläger auf, für die noch durchzuführende Betriebsprüfung Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Vorzulegen seien u.a. Lohn- und Gehaltskonten aller Arbeitnehmer (Schreiben vom 12.02.2016, Bl. 3 Widerspruchsakte der Beklagten).
Hiergegen erhob der Kläger am 10. März 2016 Widerspruch. Der Bescheid sei rechtswidrig; nach § 28 p SGB IV sei lediglich zu prüfen, ob Arbeitgeber ihre Pflichten erfüllen würden. Es sei nicht zu prüfen, ob ehemalige Arbeitgeber ihre Pflichten in der Vergangenheit erfüllt hätten. Der Bescheid verstoße auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Anfang November 2012 habe bereits eine Prüfung des Betriebes ohne jede Beanstandung stattgefunden. Eine Prüfung jetzt nach Jahr und Tag sei eine Übertreibung, zumal er nur zwei ... in ... und eine ... beschäftigt gehabt habe.
Durch Schreiben vom 22. März 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, das Schreiben vom 12. Februar 2016 stelle keinen rechtsmittelfähigen Bescheid dar. Der Widerspruch sei unzulässig. Sofern er das Widerspruchsverfahren fortführen wolle, sei der Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides beabsichtigt.
Durch Bescheid vom 18. April 2016 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage der erforderlichen Unterlagen bis zum 20. Mai 2016 unter gleichzeitiger Androhung von Zwangsgeld in Höhe von 200,00 Euro im Falle der Nichtvorlage auf. Die sofortige Vollziehung der Anordnung werde angeordnet. Für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Dezember 2012 habe er als Arbeitgeber Arbeitnehmer gemeldet. Daher seien insbesondere die Verhältnisse über die Sozialversicherungspflicht/-freiheit sowie die Meldungen und Beitrags-/Umlagezahlungen an die zuständige Einzugsstelle zu prüfen.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2016 teilte der Kläger mit, der Bescheid vom 18. April 2016 sei aufzuheben. Die Androhung des Zwangsgeldes in Höhe von 200,00 Euro sei rechtswidrig. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes sei die Beklagte nicht berechtigt zu prüfen, ob er als ehemaliger Arbeitgeber in der Vergangenheit seine Pflichten erfüllt habe. Den Widerspruch vom 10. März 2016 nehme er nicht zurück.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2016 als unbegründet zurück. Eine Betriebsprüfung erfolge immer für zurückliegende Zeiträume. Dass Arbeitgeber, die ihren Betrieb aufgeben, dann nicht mehr geprüft werden dürften, könne keiner gesetzlichen Norm entnommen werden und würde auch zu einer Ungleichbehandlung führen. Aus § 98 SGB X ergebe sich kein Hinweis darauf, dass ein Betrieb, der geschlossen sei, nicht mehr geprüft werden dürfe. Es sei zwar im Jahre 2012 eine Betriebsprüfung nach § 28 Abs. 1 SGB IV durchgeführt worden; Gegenstand dieser Prüfung sei aber lediglich der Zeitraum bis zum 31. Dezember 2011 gewesen. Das gesamte Jahr 2012 sei nicht Gegenstand der Prüfung gewesen.
Deswegen hat der Kläger am 25. Juli 2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er sich weiter gegen die Vorlage der Unterlagen zur Betriebsprüfung wendet. Ergänzend zu seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren trägt er u.a. vor, Art. 20 III GG stehe der vorgesehenen Betriebsprüfung im Wege. § 28 p Abs. 1 Satz 1 sei eine Eingriffsnorm. Der im Rechtstaatsprinzip verankerte Bestimmtheitsgrundsatz verbiete Eingriffe in die Sphäre des Bürgers, die die Eingriffsnorm nicht vorsehe. § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV ermächtige nicht zu Betriebsprüfungen bei Personen, die vor Jahr und Tag Arbeitgeber gewesen seien.
Der Kläger beantragt,
den Besc...