Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule oder Halswirbelsäule. arbeitstechnische Voraussetzungen der BK Nr 2109. belastungskonformes Schadensbild der BK Nr 2108. Konstellation D 2. Polsterer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine gering ausgeprägte Bandscheibenvorwölbung im Segment L 4/5 bei normal weiten Zwischenwirbelräumen stellt kein belastungskonformes Schadensbild der BK 2108 iS der "Konsensempfehlungen" dar.

2. Die BK Nr 2109 besitzt nur einen engen, auf die Tätigkeit von Fleischträgern und vergleichbare berufliche Belastungen beschränkten Anwendungsbereich. Die besondere Belastung der Halswirbelsäule besteht in der durch das Tragen von mehr als 50 kg schweren Gegenständen auf der Schulter und einer dadurch nach vorn und seitlich erzwungenen Kopfbeugehaltung bei gleichzeitiger maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur mit Hyperlordosierung und Verdrehung der Halswirbelsäule.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Feststellung von Gesundheitsstörungen an der Hals- und der Lendenwirbelsäule des Klägers als Folge einer Berufskrankheit (BK) der Nr. 2108 und/oder der Nr. 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1959 geborene Kläger, der die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, war ab November 1989 bis Mitte des Jahres 2013 als Polsterer bei der Firma B., M., beschäftigt. Dabei musste er seinen eigenen Angaben sowie den Angaben des Arbeitgebers zufolge Möbel, Holzgestelle und Schaumstücke mit Gewichten zwischen 10 und 40 Kilogramm heben und tragen. Am 13.06.2013 unterzog sich der Kläger in der H.-Klinik, S., einer Operation wegen eines Bandscheibenvorfalls im Segment C6/7 mittels perkutaner Nukleoplastie sowie am 27.06.2013 einer ventralen Diskektomie, Sequestrektomie, Foraminotomie und Fusion der Halswirbelkörper C6/7 durch den Neurochirurgen Dr. B..

Am 14.11.2013 erstattete die AOK Baden-Württemberg, Hauptverwaltung, Mannheim, der Beklagten eine Anzeige über den Verdacht einer BK im Bereich der Wirbelsäule mit Bandscheibenschaden. Der Kläger führe diese Gesundheitsstörungen auf berufliche Belastungen während seiner Tätigkeit als Polsterer zurück. Gegenüber der Beklagten gab der Kläger unter anderem an, Wirbelsäulenbeschwerden seien erstmals mit Beginn seiner Tätigkeit bei der Firma B. im Jahr 1989 aufgetreten. Diese bestünden sowohl an der Hals- als auch an der Brust- und Lendenwirbelsäule. Die Beklagte holte eine Auskunft der Firma B. und einen Bericht des Internisten Dr. R. ein, der weitere Arztunterlagen beifügte, und zog das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Nordschwarzwald, Nagold, bei. Hierzu äußerte sich der Orthopäde Dr. G. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme. Gestützt auf das Ermittlungsergebnis lehnte die Beklagte die Feststellung von BKen nach den Nrn. 2108 und 2109 der Anlage 1 zur BKV sowie Ansprüche des Klägers auf Leistungen ab: In Bezug auf die BK Nr. 2108 bestehe keine belastungskonformes Schadensbild im Sinne altersuntypischer Degenerationszeichen mit von oben nach unten zunehmenden Schäden. Der Kläger leide an einer angedeuteten Bandscheibenvorwölbung im Segment L4/5 ohne Hinweise auf eine Raumforderung, Spondylarthrosen, Osteochondrosen oder Chondrosen. Die Zwischenwirbelräume der Lendenwirbelsäule seien normal weit. Dies entspreche insgesamt einem altersentsprechenden Normalbefund. An der Halswirbelsäule seien neben Bandscheibenvorfällen in den Segmenten C5/6 und C6/7 keine wesentlichen verschleißbedingten Veränderungen zu objektivieren. Auch hier handle es sich um einen alterstypischen Befund. Ungeachtet dessen ergäben sich aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens keine Hinweise auf ein regelmäßiges Tragen schwerer Lasten von wenigstens 50 Kilogramm auf der Schulter während der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten des Klägers. Die Voraussetzungen der BKen nach den Nrn. 2108 und 2109 seien deshalb nicht erfüllt (Bescheid vom 16.04.2014, Widerspruchsbescheid vom 06.08.2014).

Deswegen hat der Kläger am 13.08.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, seine Tätigkeit bei der Firma B. sei mehr als 24 Jahre lang durch harte körperliche Arbeit als Polsterer geprägt gewesen. Er habe dabei Möbelstücke mit einem Gewicht von mehr als 50 Kilogramm heben und tragen müssen. Seit vielen Jahren leide er unter Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, einem Zustand nach zweifachem Bandscheibenvorfall, starken Schmerzen und Funktionsbehinderungen im Rückenbereich, an der rechten Hand, in beiden Hüften mit Gehschwierigkeiten sowie einem Zustand nach mehrfachem Leistenbruch mit deutlicher Bewegungseinschränkung. Seine Bandscheibenerkrankungen wiesen typische Merkmale einer berufsbedingten Erkrankung auf. Er erfülle auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen der geltend gema...

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