Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Entziehung des Merkzeichens H. Hilflosigkeit. Autismus. hyperkinetisches Syndrom. posttraumatische Belastungsstörung. ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen des Merkzeichens "H" (Hilflosigkeit).
Orientierungssatz
Zwar kann auch das Erfordernis ständiger Bereitschaft zur Hilfeleistung (hier Rufbereitschaft über Handy) die Hilflosigkeit begründen. Eine “ständige Bereitschaft„ ist allerdings zB nur dann anzunehmen, wenn Hilfe häufig und plötzlich wegen akuter Lebensgefahr notwendig ist.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleiches “H„ (Hilflosigkeit) erfüllt.
Bei dem am ...1989 geborenen Kläger hatte das Landratsamt mit Bescheid vom 29.10.2008 einen GdB von 70 über den 20.08.2006 hinaus anerkannt sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches “H„ festgestellt. Die Feststellungen bestätigte das Landratsamt mit Bescheid vom 07.09.2010.
Mit Schreiben vom 01.07.2013 leitete das Landratsamt eine Nachprüfung von Amts wegen ein und zog Befunde der behandelnden Ärzte bei. Nach Anhörung des Klägers hob das Landratsamt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich “H„ ab 17.04.2014 auf und stellte zugleich einen GdB von 70 fest (Bescheid vom 14.04.2014). In der dem Bescheid zugrunde liegenden Stellungnahme berücksichtigte der versorgungsärztliche Dienst (Stellungnahme vom 16.01.2014) folgende Gesundheitsstörungen:
Autismus, hyperkinetisches Syndrom, Posttraumatische Belastungsstörung Einzel-GdB 70.
Hiergegen erhob der Kläger am 15.05.2014 Widerspruch. Er sei zwar in der Lage, eingeübte Tagesabläufe einigermaßen selbständig durchzuführen, zu lernen und Arbeitsvorgänge auszuführen. Ebenso sei es ihm möglich, vertraute Wege zu gehen und im beschränkten Maße auch selbständig Geschäfte zu tätigen. Sobald jedoch die geringste Störung auftrete, erfolge völlige Hilflosigkeit, jede Aktion und Reaktion sei blockiert. Im Gegensatz zum Kleinkindalter bestehe jedoch die Fähigkeit, von Vertrauenspersonen Hilfe anzufordern, auch in der Form von telefonischen Anweisungen oder Ratschlägen. Das erfordere die ständige Bereitschaft und Verfügbarkeit dieser Personen. Bezüglich der Ordnung und Sauberkeit, Hygiene, Einhaltung regelmäßiger Notwendigkeiten bestehe weiterhin Bedarf für häufige Kontrollen und Aufforderungen, dies zu tun.
Nach einer weiteren versorgungsärztlichen Wertung wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2014 als unbegründet zurück. Der Kläger habe zwischenzeitlich bereits das 25. Lebensjahr vollendet. Nach den Unterlagen wohne er in einem betreuten Wohnen mit niederfrequenten sozialtherapeutischen Kontakten. Der von den Eltern beschriebene erhöhte Überwachungsbedarf rechtfertige nicht mehr die Zuerkennung des Merkzeichens “H„. Der sich durch die notwendigen Hilfemaßnahem ergebene Zeitaufwand sei nicht mehr erheblich im Sinne der Vorschriften.
Mit der am 06.10.2014 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zu Begründung trägt er vor, die vom Beklagten beschriebene ambulant betreute Wohnung sei notwendig gewesen, da die Belastung durch arbeitstäglich zweieinhalb- bis mehr als dreistündige Fahrzeiten jeweils zu und von der Arbeit auf Dauer nicht erträglich sei. Da der Kläger aber auch krankheitsbedingt Probleme mit der Haushaltsführung, Vorsorge, Reinlichkeit und Hygiene habe, sei eine Betreuung notwendig. Für alle besonderen Fälle, Störungen im Nahverkehr, Ämter, Termine usw. benötige der Kläger immer noch intensive und sofortige Unterstützung. Da der Kläger eine hohe Intelligenz besitze, sei eine persönliche Anwesenheit eines Betreuers meist nicht notwendig, wohl aber die ständige Erreichbarkeit per Telefon, Mail oder SMS, um Anweisungen, Verhaltensmaßregeln zu erteilen, aber auch regelmäßige Kontrollen der Einnahme der Medizin o.ä. durchzuführen. Diese Hilfen seien inzwischen zwar nicht mehr so intensiv, aber für einen Zeitraum von etwa zwei Jahren noch weiter notwendig.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 14.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2014 aufzuheben, soweit er die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “H„ aufhebt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Landratsamtes sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den Bescheid vom 14.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2014 nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Der Bescheid verletzt ihn nicht in eigenen Rechten, weil die...