Entscheidungsstichwort (Thema)

Künstlersozialversicherung. Künstler. Künstlersozialabgabepflicht einer Aktiengesellschaft, die ihre Aufträge nicht einem selbstständigen Künstler, sondern einer von ihm rechtlich getrennten Gesellschaft erteilt

 

Orientierungssatz

1. Sind Berufstätigkeiten nach dem gesetzgeberischen Willen den künstlerischen zuzuordnen, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob im Einzelfall, (zB wegen der Eigenart des Produkts oder wegen konkreter Vorgaben des Auftraggebers) ein großer oder kleiner Gestaltungsspielraum bei der Auftragsdurchführung verbleibt. Die Zweckgebundenheit der Produkte (Gebrauchsgegenstände, Werbung) steht ihrer Einordnung als künstlerisch in keinem Fall entgegen (vgl BSG vom 4.3.2004 - B 3 KR 17/03 R = SozR 4-5425 § 24 Nr 6).

2. Die Abgabepflicht einer Aktiengesellschaft zur Künstlersozialversicherung besteht dem Grunde nach auch dann, wenn diese ihre Aufträge (hier: zur Verfassung von technischen Bedienungsanleitungen) nicht einem selbstständigen Künstler erteilt, sondern einer von ihm rechtlich getrennten Gesellschaft (vgl BSG vom 30.1.2001 - B 3 KR 1/00 R = SozR 3-5425 § 2 Nr 11).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.05.2006; Aktenzeichen B 3 KR 7/06 B)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitgegenstand ist die Feststellung der Beklagten, die Klägerin unterliege dem Grunde nach der Pflicht zur Künstlersozialabgabe.

Mit Bescheid vom 23.3.2004 stellte die Beklagte die Künstlersozialabgabepflicht der Klägerin fest. Zur Begründung führte sie aus, die Beklagte erstelle und vermarkte komplette Dokumentationslösungen und betreibe damit gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KSVG als Unternehmer Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte.

Hiergegen legte die Klägerin am 7.4.2004 Widerspruch ein. Sie machte geltend, sie setze keine freiberuflichen Grafiker, Redakteure oder Übersetzer ein. Lektoren seien für sie in der Vergangenheit lediglich zweimal tätig geworden. Da sie angestellte Lektoren beschäftige, sei ein erneuter Einsatz nicht absehbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.6.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte ergänzend aus, für die Feststellung der Künstlersozialabgabepflicht sei es ausreichend, dass das Unternehmen einen in § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG genannten Zweck verfolgt. Dieser könne sich insbesondere aus einem entsprechenden Handelsregistereintrag ergeben. Demgegenüber komme es nicht darauf an, ob das Unternehmen tatsächlich Leistungen selbstständiger Künstler oder Publizisten in Anspruch nimmt. Die Klägerin könne sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, sie leiste keine Zahlungen an selbstständige Künstler oder Publizisten. Laut Gewerberegistereintrag sei Gegenstand ihres Unternehmens die Erstellung und Vermarktung von Dokumentationslösungen und -systemen sowie Dienstleistungen im Bereich der technischen Dokumentation. Die Künstlersozialabgabepflicht ergäbe sich hier im übrigen auch aus § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSVG.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.7.2004 Klage erhoben. Sie trägt vor, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSVG sei hier nicht einschlägig. Diese Vorschrift finde nur auf solche Unternehmen Anwendung, deren wesentlicher Zweck darin besteht, Informationsträger zu vervielfältigen und zu verbreiten. Jedenfalls an letzterem fehle es hier. Denn sie produziere zwar in Abstimmung mit ihren Auftraggebern technische Handbücher, liefere diese aber unmittelbar und ausschließlich an die Auftraggeber; der Bezug durch Dritte sei ausgeschlossen. Auch der Tatbestand des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KSVG sei nicht erfüllt. Sie betreibe keine Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte. Die von ihr hergestellten Handbücher dienten als Bedienungsanleitung für Produkte, die Käufer bereits erworben haben. In diesem Stadium könnten die Konsumenten nicht mehr durch Werbung gewonnen werden. Eine Pflicht zur Künstlersozialabgabe ergäbe sich schließlich nicht aus § 24 Abs. 2 KSVG. Zwar habe sie zur Zeit mit fünf technischen Redakteuren, einem Layouter und einem Grafiker Rahmenverträge über eine freie Mitarbeit geschlossen. Die freien Mitarbeiter seien aber nicht als Künstler oder Publizisten im Sinne des § 2 KSVG einzustufen. Denn sie befassten sich vor allem mit Projekt- und Qualitätsmanagement, Unternehmensberatung, Layouterstellung und Produktprüfung. Diese Bereiche unterfielen nicht dem KSVG.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 23.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, auch technische Bedienungsanleitungen seien publizistische Werke im Sinne des § 2 KSVG. Im übrigen ergäbe sich die Pflicht zur Künstlersozialabgabe im Hinblick auf die freien Mitarbeiter auch aus § 24 Abs. 2 KSVG. Deren Beauftragung durch die Klägerin erfolge unmittelbar zur Erzielung von Einnahmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Prozessakte S ... und die Verwaltungsakte der Beklagt...

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