Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht bzw -freiheit in der Künstlersozialversicherung. Malerin. Autorentätigkeit. Künstler. Publizist. Lehre von Kunst. erwerbsmäßige Ausübung. Einkommensgrenze. Zusammenrechnung von Einkommen aus mehreren publizistischen bzw künstlerischen Tätigkeiten. Berufsanfängerin. Fristbeginn
Leitsatz (amtlich)
1. Eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit kann auch dann “erwerbsmäßig„ iS des § 1 KSVG sein, wenn das - angestrebte - Einkommen aus der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit allein nicht ausreicht, um die Kosten des Lebensunterhalts zu decken.
2. Übt der Selbstständige verschiedene künstlerische und / oder publizistische Tätigkeiten aus, kommt es nicht darauf an, ob das Arbeitseinkommen aus jeder dieser Tätigkeiten schon für sich genommen die maßgebliche Grenze von 3.900 € nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG übersteigt; vielmehr ist das Arbeitseinkommen aus sämtlichen Tätigkeiten zusammenzurechnen.
3. Übt der Selbstständige verschiedene künstlerische und / oder publizistische Tätigkeiten erwerbsmäßig aus, richtet sich der Beginn der Frist des § 3 Abs 2 S 1 KSVG einheitlich für alle Tätigkeiten nach der zuerst aufgenommenen Tätigkeit; die spätere Aufnahme weiterer künstlerischer und / oder publizistischer Tätigkeiten eröffnet keine neue Frist.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliegt.
Bis zum 28.12.2006 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld. Für die Zeit vom 29.12.2006 - 28.9.2007 bewilligte ihr die Agentur für Arbeit P. einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit.
Am 29.12.2006 meldete die Klägerin der Beklagten, sie habe eine selbständige künstlerische Tätigkeit aufgenommen, und zwar im Bereich bildende Kunst/Design; im Fragebogen der Beklagten kreuzte sie die Kategorien “experimenteller Künstler, Objektemacher„, “Maler, Zeichner, künstlerischer Grafiker„ und “Pädagoge, Ausbilder im Bereich bildende Kunst/Design„ an.
Mit Bescheid vom 10.4.2007 stellte die Beklagte fest, die Klägerin unterliege nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG. Die Versicherungspflicht setze gemäß § 1 KSVG die erwerbsmäßige und nicht nur vorübergehende Ausübung einer selbständigen künstlerischen Tätigkeit voraus. Die Tätigkeit müsse nachhaltig ausgeübt werden, von der Absicht einer ernsthaften Beteiligung am Wirtschaftsleben getragen und objektiv geeignet sein, zum Lebensunterhalt des Künstlers beizutragen. Daran fehle es hier. Die von der Klägerin übersandten Unterlagen ließen nicht ausreichend erkennen, dass sie eine selbständige künstlerische Tätigkeit nachhaltig und erwerbsmäßig ausübe.
Der Widerspruch der Klägerin vom 7.5.2007 blieb ohne Erfolg. Mit Widerspruchsbescheid vom 1.11.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, die Klägerin habe zum Nachweis ihrer Einnahmen aus Malkursen lediglich eine Rechnung (über 190 €) sowie drei Quittungen (über 32 €, 60 € und 70 €) übersandt. Weiterhin belegt habe sie Zahlungen der K.-Fachverlag GmbH (für das erste Halbjahr 2006: 522,41 €; für das zweite Halbjahr 2006: 218,72 €) und der Verlag H. GmbH (im Oktober 2006: 39,64 €; im Januar 2007: 15,60 €). Diese Einnahmen der Klägerin reichten nicht aus, um substantiell zu ihrem Lebensunterhalt beizutragen. Angesichts dessen scheide Versicherungspflicht nach § 1 KSVG jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus.
Mit der am 3.12.2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter. Sie trägt vor, sie schaffe Gemälde und führe in ihrem Atelier Malkurse durch, sei also künstlerisch tätig. Diese Tätigkeiten dauerten weiter an; entgegen der Auffassung der Beklagten erfolgten sie daher nicht nur vorübergehend. Im Jahre 2007 habe sie 13 künstlerische Werke im Gesamtwert von 2.650 € verkauft. Zwar sei gemäß § 3 Abs. 1 KSVG versicherungsfrei, wer im Kalenderjahr aus selbständiger Tätigkeit voraussichtlich ein Arbeitsentgelt erzielt, das 3.900 € nicht übersteigt; im Jahre 2007 habe ihr Einkommen wohl unter dieser Grenze gelegen. Gemäß § 3 Abs. 2 KSVG gelte die Regelung über die Versicherungsfreiheit nach § 3 Abs. 1 KSVG aber nicht bis zum Ablauf von drei Jahre nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit. Dadurch solle den regelmäßig auftretenden Anfangsschwierigkeiten Rechnung getragen werden. In den ersten drei Jahren seien Künstler also unabhängig davon versicherungspflichtig, ob ihre Einnahmen eine bestimmte Höhe erreichten. Sie, die Klägerin, gehöre zur Gruppe der Berufsanfänger. Denn erwerbsmäßig habe sie ihre selbständige künstlerische Tätigkeit erst im Jahr 2007 aufgenommen. Dem stehe nicht entgegen, dass sie bereits seit 1999 als Autorin arbeite. Von 1999 bis April 2006 sei sie als Erzieherin angestellt gewesen. Ihre Autorentätigkeit habe sie nur nebenbei und in geringfügigem Umfang ausgeübt. Auch heute entfalle auf diese Tätigkeit weniger als 5 % ihrer Arbeitszeit; sie habe nicht vor, diese Tätigkeit...