Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. arbeitsvertragswidriges Verhalten. private Trunkenheitsfahrt eines Berufskraftfahrers. Verlust der Fahrerlaubnis. personenbedingte außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Die Voraussetzungen einer Sperrzeit nach § 144 Abs 1 S 2 Nr 1 Alt 2 SGB 3 sind nicht erfüllt, wenn einem Berufskraftfahrer gekündigt wird, weil ihm nach einer privaten Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen worden ist. Es fehlt an einem arbeitsvertragswidrigen Verhalten. Lediglich ein personenbedingter Kündigungsgrund liegt vor.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 25.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.09.2009 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ohne Sperrzeit ab dem 21.07.2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine zwölfwöchige Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe.
Er war seit dem 18.09.2000 als Busfahrer beschäftigt. Nach Ziffer 1.8 seines Arbeitsvertrags war Voraussetzung für diese Tätigkeit der Besitz der Fahrerlaubnis der Führerscheinklasse D/DE. Bei späterer Änderung dieser Voraussetzung (z. B. Entzug der Fahrerlaubnis) sei die Firma unverzüglich zu informieren. Sie sei zur (ggf. auch fristlosen) Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt.
Nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,95 Promille in der Nacht vom 10. auf den 11.07.2009 wurde dem Kläger die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. In der Verwaltungsakte findet sich die Mehrfertigung eines Strafbefehls des Amtsgerichts K., mit dem der Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen verurteilt wurde. Ferner wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen und eine Sperre nach § 69a StGB von zehn Monaten bestimmt. Nach dem arbeitsgerichtlichen Urteil (s. sogleich) reduzierte das Amtsgericht K. mit Urteil vom 30.09.2009 die Sperrfrist auf acht Monate.
Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos mit Schreiben vom 20.07.2009. Mit weiterem Schreiben vom 23.07.2009 kündigte er es hilfsweise ordentlich zum 31.10.2009. In beiden Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass der Betriebsrat zu der Maßnahme gehört worden sei. Die Kündigungsschutzklage des Klägers wurde vom Arbeitsgericht K. mit Urteil vom 22.12.2009 als unbegründet abgewiesen (5 Ca 257/09). Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien sei durch die außerordentliche, fristlose Kündigung vom 20.07.2009 aufgelöst worden.
Der Kläger meldete sich am 22.07.2009 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid vom 25.08.2009 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Dauer von zwölf Wochen fest. Der Kläger habe seine Beschäftigung wegen der Entziehung seiner Fahrerlaubnis verloren. Es sei davon auszugehen gewesen, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten nicht dulde, so dass der Verlust des Arbeitsplatzes leicht abzusehen gewesen sei. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 90 Tage, ein Viertel der Anspruchsdauer.
Mit weiterem Bescheid vom selben Tag bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld vom 22.07.2009 bis 11.07.2010. Bis zum 12.10.2009 wurde ein Leistungsbetrag von 0 € täglich bewilligt, danach von 38,73 €. Zur Begründung heißt es u.a., dass das Bemessungsentgelt 76,73 € betrage und wegen einer zwölfwöchigen Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe der Anspruch vom 21.07. bis 12.10.2009 um 90 Tage gemindert werde.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Ihm sei der Führerschein für zehn Monate entzogen worden, weil er während einer Privatfahrt mit Alkohol gefahren sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 07.09.2009 als unbegründet zurück. Das Beschäftigungsverhältnis sei wegen vertragswidrigen Verhaltens des Klägers gelöst worden. Dieses sei in der privaten Trunkenheitsfahrt zu sehen, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt habe. Der Kläger habe damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis fristlos beenden würde. Die Pflicht eines Berufskraftfahrers, seinen Dienst unbeeinflusst von Alkohol auszuüben, begründe eine arbeitsvertragliche Pflicht zur Abstinenz auch während der Freizeit. Außerdem sei der Besitz der Fahrerlaubnis Geschäftsgrundlage für die Erfüllung des Arbeitsvertrages, der Arbeitnehmer habe sich auch in der Freizeit so zu verhalten, dass diese Grundlage nicht entzogen werde. Entscheidend für den Eintritt einer Sperrzeit sei nicht der Entzug der Fahrerlaubnis, sondern das zu dieser Maßnahme führende Verhalten des Klägers. Selbst wenn das private Fehlverhalten nicht zum Entzug der Fahrerlaubnis führe, könnte dies Anlass für eine verhaltensbedingte Kündigung sein. Die Arbeitslosigkeit sei daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar, ein Sachverhalt, der eine Verkürzung der Sperrzeit zulasse, liege nicht vor. Persönliche und wirtschaftlich...