Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Befreiung von der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung -Wahlmöglichkeit für Berufsanfänger. Endgültigkeit nach Ablauf der Dreijahresfrist
Leitsatz (amtlich)
Die ausgesprochene Befreiung nach § 6 Abs 1 KSVG ist nach Ablauf der in § 3 Abs 2 KSVG genannten Frist (drei Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit) unwiderruflich. Auch bei Wiederaufnahme der künstlerischen Tätigkeit nach mehrjähriger Unterbrechung bleibt es bei der einmal ausgesprochenen Befreiung.
Orientierungssatz
Aktenzeichen beim LSG Stuttgart: L 11 KR 3937/19.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.05.2018.
Die 1979 geborene Klägerin ist diplomierte Tanzpädagogin. Sie war seit September 2004 als freie Mitarbeiterin in verschiedenen Tanz- und Ballettschulen stundenweise tätig. Auf Antrag der Klägerin wurde sie von der Beklagten mit Bescheid vom 20.12.2004 von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.09.2004 befreit. Sie erhielt in der Folgezeit von der Beklagten jeweils Zuschüsse für ihren Aufwand zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung.
Mit Schreiben vom 02.07.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Berufsanfängerstatus zum 31.08.2007 ende. Bis zu diesem Datum habe die Klägerin die Möglichkeit, einen Antrag auf Beendigung der Befreiung zu stellen. Werde der Antrag rechtzeitig gestellt, beginne die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach Ablauf der Berufsanfängerzeit. Sobald die Klägerin kein Berufsanfänger mehr sei, bestehe keine Möglichkeit mehr, Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) zu begründen. Die Befreiung in der Kranken- und Pflegeversicherung sei dann unwiderruflich.
Im April 2011 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie ihre künstlerisch selbständige Tätigkeit als Tanzpädagogin zum 31.03.2011 aufgegeben habe. Mit Bescheid vom 08.04.2011 stellte die Beklagte das Ende der Versicherung nach § 1 KSVG sowie das Ende der Zuschussberechtigung zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 10 bzw. § 10 a KSVG zum 31.03.2011 fest.
Ab Mai 2018 nahm die Klägerin (die zwischenzeitlich zwei Kinder geboren hatte und über ihren Ehemann familienversichert war) ihre stundenweise Tätigkeit als Tanzpädagogin in zwei Ballettschulen wieder auf. Auf Nachfrage der Beklagten schätzte sie ihr voraussichtliches Jahreseinkommen bis Ende 2018 auf 3.600,- €. Ihre Tätigkeit wolle sie weiter ausbauen.
Mit Bescheid vom 31.08.2018 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung ab dem 01.05.2018 fest. Hinsichtlich der Krankenversicherung bestehe ab dem 01.05.2018 Befreiung nach § 6 KSVG, hinsichtlich der Pflegeversicherung ab dem 01.05.2018 Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 KSVG. Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach dem KSVG sei für die Klägerin nicht möglich, da sie zum Zeitpunkt der Feststellung der Versicherungspflicht gemäß § 6 KSVG als Berufsanfängerin das Wahlrecht zu Gunsten einer privaten Versicherung ausgeübt habe. Dieses Wahlrecht sei unwiderruflich.
Hiergegen erhob die Klägerin am 11.09.2018 Widerspruch mit dem Begehren, dass auch in der Kranken- und Pflegeversicherung Versicherungspflicht festgestellt werden solle. Zwar sei sie als Berufsanfängerin im Jahre 2004 von der Versicherungspflicht befreit worden. Allerdings sei sie im Zeitraum April 2011 bis April 2018 nicht selbständig tätig gewesen, sondern gesetzlich versichert. Ab dem 01.05.2018 handele es sich um einen komplett neuen Versicherungstatbestand. Die Befreiung beziehe sich nur auf den jeweiligen Versicherungstatbestand (Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG zum SGB V).
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 8 SGB V zur Befreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung, welche tatbestandsbezogen nur auf das jeweilige Versicherungspflichtverhältnis wirken würde, sei für nach dem KSVG befreite Personen nicht möglich, da im KSVG in den §§ 6 und 7 explizit die Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht sowie die Aufhebung der Befreiung geregelt sei.
Deswegen hat die Klägerin am 22.11.2018 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass die erfolgte Befreiung im Jahr 2011 wirkungslos in Bezug auf sonstige Tatbestände geworden sei. 2011 sei das Versicherungsverhältnis beendet worden, demnach sei auch der Gegenstand der Befreiung entfallen. Es handele sich nicht um eine Unterbrechung, sondern um ein neues Versicherungsverhältnis ab Wiederaufnahme der Tätigkeit zum 01.05.2018. Zwar könne eine Befreiung gemäß § 6 KSVG effekt...