Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. höhere Verletztenrente wegen Verschlimmerung. Überprüfung im Zugunstenverfahren gem § 44 Abs 1 SGB 10. gerichtlicher Vergleich gem § 101 SGG. Inhalt und Auslegung des Vergleichs: kein Verzicht auf höhere Verletztenrente für die Zukunft. keine dauerhafte Bewertung der damals nachgewiesenen Unfallfolgen
Leitsatz (amtlich)
Ein gerichtlicher Vergleich, der lediglich die Gewährung einer höheren Verletztenrente für einen abgegrenzten Zeitraum in der Vergangenheit beinhaltet, enthält in der Regel keinen grundsätzlichen Verzicht auf die Geltendmachung einer höheren Verletztenrente nach § 44 SGB X für die Zukunft.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 24.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2015 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger aufgrund der Folgen seines Arbeitsunfalls vom … 2008 ab dem 01.09.2014 eine höhere Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 v.H. zu gewähren.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe einer Verletztenrente im Streit.
Der am … geborene Kläger erlitt am … 2008 einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall. Der Kläger fuhr als Lagerist einen Gabelstapler, als er mit einem anderen Gabelstapler, welcher in gleicher Richtung fuhr und plötzlich abbremste, zusammenstieß. Ausweislich des Durchgangsarztberichts des Dr. H vom 30.10.2008 zog der Kläger sich eine Fibulaköpfchenfraktur sowie eine Schürfwunde des rechten und linken Unterschenkels zu. Deswegen wurde der Kläger zunächst im F. - Klinikum und sodann in der Unfallklinik … behandelt.
Das Erste Rentengutachten erstatteten die Chirurgen Dres. A/R (12.02.2010). Darin beschrieben sie die dem Kläger verbliebenen Unfallfolgen seines am … 2008 erlittenen Arbeitsunfalls wie folgt: Fehlende Dorsalextension, keine sekundären Verkalkungen oder arthrotische Veränderungen im Sprunggelenk rechts, Weichteilverlust nach Kompartmentsyndrom und Muskelnekrosen mit Kraftminderung in der Plantarextension und narbenbedingt zusätzliche BWE beim Abhocken und Zehenspitzstand, Hyperästhesien im distalen Unterschenkel- und Fußbereich und Hypästhesie im Spalthaut-gedeckten Narbenbereich bei regelmäßigen belastungsabhängigen Schmerzen und Schmerzmitteleinnahme. Aufgrund dieser Unfallfolgen schätzten sie die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Zeit ab 01.08.2009 bis 31.10.2009 auf 30 vom Hundert (v.H.), für die Zeit ab 01.11.2009 bis 24.10.2010 auf 20 v.H. und danach auf voraussichtlich 10 v.H.
Im schmerztherapeutischen Gutachten von Prof. Dr. K vom 14.05.2010 bewertete dieser die unfallbedingte MdE für sein Fachgebiet auf 10 v.H. aufgrund der Diagnose eines nozizeptiv-neuropathischen Schmerzsyndroms der linken unteren Extremität.
Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 28.07.2010 eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung auf der Grundlage einer MdE um 20 v.H. für die Zeit ab dem 17.08.2009. Sie erkannte folgende Unfallfolgen am linken Bein an: Knöchern fest verheilter Wadenbeinköpfchenbruch, massive Quetschung des Unterschenkels mit nachfolgendem Kompartmentsyndrom des Unterschenkels, mäßige Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks, leichte Muskelminderung im Bereich des Unterschenkels, neuropathisches Schmerzsyndrom im Bereich des Unterschenkels.
Die im Folgenden durchgeführte neurologische Begutachtung des Klägers durch Dr. S (Gutachten vom 12.02.2011) gelangte zu folgendem Ergebnis: Eine posttraumatische Belastungsstörung sei auszuschließen. Die MdE wegen der Bewegungseinschränkung der sensiblen Störungen aufgrund der Muskelteilnekrosen am linken Unterschenkel sowie der Schäden am Nervus peronaeus und tibialis werde auf 20 v.H. geschätzt. Das Schmerzsyndrom im Sinne eines außergewöhnlichen Schmerzes sei zusätzlich mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten. Die vorübergehende, nicht richtungsweisende Verschlechterung im psychischen Bereich (protrahierte Anpassungsstörung) bei vorbestehender rezidivierender depressiver Störung sei bis Dezember 2011 zusätzlich mit einer MdE von 10 v.H. zu berücksichtigen. Die Gesamt-MdE werde wegen Überschneidungen mit dem chirurgischen und schmerztherapeutischen Fachgebiet bis Dezember 2011 unter Berücksichtigung der depressiven Verstimmung auf 35 v.H., danach auf 30 v.H. geschätzt.
Daraufhin gewährte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 14.04.2011 für die Zeit ab dem Rentenbeginn (17.08.2009) nunmehr eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. Darüber hinaus erkannte die Beklagte als weitere Unfallfolge - über die mit Bescheid vom 28.07.2010 hinaus bereits anerkannten Unfallfolgen - folgende Gesundheitsstörungen an: Protrahierte Anpassungsstörung bei unfallunabhängig vorbestehender depressiver Verstimmung.
Im zweiten fachchirurgischen Rentengutachten, das Dr. B am 06.05.2011 erstattete, sprach dieser, verglichen mit dem Vorgutac...