Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragszahnärztliche Versorgung. Beschäftigung. Vertreter. Vollendung des 68. Lebensjahres

 

Orientierungssatz

In einer Vertragszahnarztpraxis darf kein Vertreter beschäftigt werden der das 68. Lebensjahr vollendet hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.06.2004; Aktenzeichen B 6 KA 11/04 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin berechtigt ist, sich durch einen Zahnarzt vertreten zu lassen, der das 68. Lebensjahr vollendet hat.

Die Klägerin ist zusammen mit ihrem Ehemann in Gemeinschaftspraxis als Zahnärztin zugelassen. Ihr Vater, der das 68. Lebensjahr vollendet hat, ist aus der Praxis ausgeschieden. Die Klägerin will sich im Urlaub durch ihren Vater vertreten lassen. Die Beklagte bestreitet die Berechtigung der Klägerin, einen über 68 Jahre alten Vertreter einzustellen.

Die Klägerin hat am 26.8.2003 Feststellungsklage erhoben. Zur Begründung der Zulässigkeit der Feststellungsklage führt sie aus, die Beklagte verwehre ihr die Beschäftigung eines über 68 Jahre alten Zahnarztes als Vertreter. Es sei ihr nicht zuzumuten, einen Zahnarzt, der das 68. Lebensjahr vollendet habe, als Vertretung tätig sein zu lassen und dies der Beklagten anzuzeigen. Sie habe in diesem Fall mit Honorarkürzungen und disziplinarischen Maßnahmen zu rechnen. Die Berechtigung, einen Zahnarzt, der das 68. Lebensjahr vollendet habe, als Vertreter einzustellen, ergebe sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV i.V.m. § 95 Abs. 7 und Abs. 9 SGB V. Nach § 32 Abs. 1 Satz 4 Ärzte-ZV dürfe sich der Vertragszahnarzt durch einen anderen Vertragszahnarzt oder Zahnarzt vertreten lassen, der die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz Ärzte-ZV, nämlich eine mindestens einjährige Tätigkeit in unselbständiger Stellung als Assistent eines Kassenarztes und in einer Einrichtung nach Satz 2 nachweisen könne, vertreten lassen. An eine Zulassung ist die Vertretertätigkeit ausdrücklich nicht gebunden. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 95 Abs. 7 und Abs. 9 SGB V. Dort sei geregelt, dass die Altersgrenze nur für den in § 95 Abs. 9 SGB V angestellten Arzt, jedoch nicht für den nach § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV bestellten Vertreter Anwendung finde. Der eindeutige Normtext lasse für korrigierende Auslegungen keinen Raum. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts begegne die Altersgrenze für Vertragszahnärzte den Gefahren, die sich daraus ergäben, dass der Vertragszahnarzt mit seiner vollen Arbeitskraft für die vertragszahnärztliche Versorgung zur Verfügung stehen müsse. Vor allem bilde aber die Höchstaltersgrenze zusammen mit den Regelungen über die versorgungsgradabhängige Bedarfsplanung mit wirklichen Zulassungssperren und mit der 55-Jahres-Zugangsgrenze und der durch diese Regelungen möglichen Gesamtbegrenzung der Gesundheitsausgaben im vertragszahnärztlichen Bereich ein Gesamtkonzept. Die Höchstaltersgrenze sei das Pendant zu den Zulassungsbeschränkungen, um die Möglichkeit von Neuzulassungen zu fördern und auch der jüngeren Generation Berufschancen zu geben sowie deren neuere Erkenntnisse für die Gesundheitsversorgung nutzbar zu machen. Das Gesamtkonzept sei als Ganzes durch den Gemeinwohlbelang der finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung gerechtfertigt. Auf Vertreter, die nur temporär und partiell Krankenversicherte behandeln, vor allem aber nicht eigenständig an der vertragsärztlichen Versorgung teilnähmen, sondern lediglich für einen zugelassenen Vertragszahnarzt im Rahmen von dessen Zulassung Leistungen erbrächten, sei dieser Zweck nicht übertragbar. Soweit die gesundheitliche und fachliche Eignung des Vertreters zu beurteilen sei, würde dies in einer individuellen Überprüfung gem. § 21 Ärzte-ZV erfolgen.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass sie berechtigt sei, sich bei Wahrung der Vertretungsvoraussetzungen nach § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV im übrigen durch einen Zahnarzt vertreten zu lassen, der das 68. Lebensjahr vollendet hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, es sei umstritten, ob die für Vertragszahnärzte geltende Altersgrenze von 68 Jahren auch für Vertreter anwendbar sei. Die Literatur habe bislang teilweise vertreten, dass die Altersgrenze weder auf Vertreter noch auf Assistenten anzuwenden sei. Für einen Entlastungsassistenten habe die erkennende Kammer die Altersgrenze für anwendbar erklärt. Dies gelte auch für die Vertreter. Der Vertragszahnarzt sei grundsätzlich zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet. Nur ein Vertreter oder ein Assistent könne für den Vertragszahnarzt Leistungen erbringen. Dies sei eine Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung. Die für den Entlastungsassistenten geltenden Grundsätze müssten für den Vertreter erst recht gelten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspreche es der Lebenserfahrung, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit zunehmenden Alter ...

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