Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Kostenbeitrag bei vollstationärer Pflege. erweiterte Hilfe gem § 19 Abs 5 SGB 12. Voraussetzungen eines begründeten Falles. Ermessen. Aufwendungsersatz. rechtmäßiges Handeln. Neuregelung. Anwendung des § 82 Abs 4 SGB 12. kein Einkommenseinsatz
Leitsatz (amtlich)
Erweiterte Hilfe nach § 19 Abs 5 SGB 12 ist nur in begründeten Fällen nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zulässig.
Orientierungssatz
1. Ein Aufwendungsersatzanspruch gem § 19 Abs 5 SGB 12 setzt voraus, dass die Leistungen zu Recht als erweiterte Hilfe gewährt worden sind. Aus einem rechtswidrigen Handeln können keine Ansprüche des Sozialhilfeträgers entstehen.
2. Die Neuregelung des § 92a SGB 12 gilt nicht rückwirkend zum 1.1.2005, sondern erst ab 7.12.2006. Für den Zeitraum ab 1.1.2005 findet die inhaltsgleiche Vorschrift des § 82 Abs 4 SGB 12 idF vom 21.3.2005 Anwendung.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 1. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2005 wird aufgehoben.
Dem Kläger sind die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag (Aufwendungsersatz) für Leistungen bei vollstationärer Pflege durch eine Einrichtung der Evangelischen Heimstiftung.
Der am ... 1938 geborene Kläger, der an einer hirnorganischen Persönlichkeitsveränderung mit wiederkehrenden Affektdurchbrüchen bei Zustand nach Hirnhautentzündung im fünften Lebensjahr und Minderbegabung i. S. einer mittelgradigen geistigen Behinderung leidet, ist seit nunmehr ... Dezember 1995 ununterbrochen stationär untergebracht. Seit ... April 1997 erhält er Leistungen der Sozialhilfe im Rahmen der Hilfe zur Pflege (Kosten der Pflegeheimunterbringung zuzüglich Barbetrag). Die dem Kläger gewährte Sozialhilfe wurde bis zum 31. Dezember 2004 nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) erbracht. Durch Artikel 68 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 wurde das BSHG zum 31. Dezember 2004 aufgehoben. Gleichzeitig trat am 1. Januar 2005 das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Kraft.
Mit Bescheid vom 1. Juni 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger aufgrund der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2005 für die Zeit ab dem 1. Juli 2005 Hilfe zur Pflege i. S. erweiterter Hilfe mit Aufwendungsersatz. Dazu hieß es im Bescheid, die durch die Leistung durch die Pflegeversicherung (SGB XI) nicht gedeckten Restkosten der vollstationären Pflege seien in vollem Umfang als erweiterte Hilfe nach § 19 Abs. 5 SGB XII zu übernehmen. Bei der Bemessung der Hilfe sei folgender monatlicher Bedarf zu berücksichtigen:
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tägliches Entgelt für Pflege |
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Leistungsstufe II |
66,49 € |
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tägliches Entgelt für Unterkunft |
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und Verpflegung |
22,21 € |
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tägliche Investitionsaufwendungen |
9,44 € |
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ihr Tagessatz im Heim |
98,14 € |
x 30,42 Tage = |
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2.985,42 € |
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zuzüglich Barbetrag zur persönlichen |
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Verfügung |
128,10 € |
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abzüglich Leistung der Pflegekasse in |
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Pflegestufe II |
1.279,00 € |
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errechneter Gesamtbedarf in Höhe |
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von monatlich |
1.834,52 € |
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Dieser Gesamtbedarf umfasse neben der Hilfe zur Pflege auch den in der Einrichtung erbrachten notwendigen Lebensunterhalt. Die Abrechnung erfolge direkt mit der Heimverwaltung. Die Pflegeleistung rechne das Heim direkt mit der Pflegekasse ab. Der Barbetrag zur persönlichen Verfügung werde am monatlichen Kostenbeitrag, den die Ehefrau des Klägers zu leisten habe, abgezogen. Nach den Bestimmungen des SGB XII habe die Ehefrau des Klägers die Aufwendungen insoweit zu ersetzen, als ihr und den anderen in § 19 SGB XII genannten Angehörigen die Aufbringung der Mittel aus eigenem Einkommen und Vermögen zuzumuten sei. Der Betrag, der vorliegend zu ersetzen sei, sei aus den beiliegenden Berechnungen ersichtlich. Er werde mit monatlich 736,86 € abzüglich 128,10 € Barbetrag = 608,76 € festgesetzt. Der monatliche Ersatzbetrag für die Zeit ab dem 1. Juli 2005 in Höhe von 608,76 € sei auf das angegebene Konto unter dem angegebenen Buchungszeichen bis spätestens 1. Juli 2005 zu überweisen.
Der Berechnung des Aufwendungsersatzes legte die Beklagte im Einzelnen folgende Daten zugrunde:
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zu berücksichtigendes Einkommen: |
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Altersrente der Ehefrau des Klägers |
275,16 € |
Altersrente des Klägers |
932,55 € |
Versorgungsbezüge des Klägers |
209,89 € |
zusammen |
1.417,60 € |
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abzusetzende Beiträge gem. § 82 SGB XII |
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(Hausrat/Haftpflichtversicherung) |
13,85 € |
verbleibender Betrag |
1.403,75 € |
Die für die Gewährung der Hilfe maßgebende Einkommensgrenze betrage nach § 85 SGB XII
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Grundbetrag |
690,00 € |
Familienzuschlag für Ehegatten |
242,00 € |
Kosten der Unterkunft des zuhause lebenden Ehegatten |
285,92 € |
Kosten der Unterkunft des Klägers |
317,00 € |
insgesamt |
1.534,92 € |
Das zu berücksichtigende Einkommen liege dementsprechend unter der Einkommensgrenze. Als zu ersetzender Betrag zugemutet werden könne das Einkommen unter der Einkommensgrenze in Höhe von 1.403,75 € nach Abzug desjenigen Einkommens, das für den Grundsicherungsbedarf des Klä...