Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Kostenbeitrag für stationär untergebrachten Ehepartner. Einkommenseinsatz nach § 92a SGB 12. Rechtsanwendung. Spezialnorm. Einkommensanrechnung. Fahrtkosten und PKW-Vollkosten
Orientierungssatz
1. Bis zum 31.12.2006 bestimmt sich Möglichkeit und Kostenbeitrag vom im Hause verbleibenden oder Lebenspartner eines stationär oder teilstationär Pflegebedürftigen nach § 35 SGB 12 iVm §§ 85, 89 SGB 12 zu erheben.
2. Für die Zeit ab 1.1.2007 ist Zentralnorm für den Einkommenseinsatz bei Leistungen in Einrichtungen § 92a SGB 12. Sie enthält keine Rückwirkungsklausel. Maßgeblich könnten die Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts sein. Beim Fehlen einer Überleitungsvorschrift gelten neue Rechtsnormen mit sofortiger Wirkung für die Zeit nach ihrer Verkündung, unabhängig davon, wie die Materie vorher geregelt war (vgl OVG Münster vom 31.10.2006 - 16 A 5085/04). Eine Neuregelung erfasst im Prinzip alle im Zeitpunkt der Verkündung bestehenden, nach altem Recht entstandenen Rechte und Rechtsverhältnisse (vgl BSG vom 19.5.2004 - B 13 RJ 26/03 R = SozR 4-1200 § 33a Nr 2 und vom 27.8.1998 - B 10 AL 7/97 R = SozR 3-4100 § 141e Nr 3 sowie LSG Münster vom 29.10.2008 - L 12 SO 13/07). Insbesondere neue Vorschriften, welche die Rechtsstellung des Betroffenen verbessern, sind unproblematisch mit ihrem In-Kraft-Treten auf ein bestehendes Rechtsverhältnis anzuwenden (vgl BSG vom 28.4.2004 - B 2 U 12/03 R = SozR 4-2700 § 70 Nr 1). Die Regelung des § 92a Abs 3 SGB 12 ist eine Spezialnorm zu § 19 Abs 1 und Abs 2 SGB 12 und geht dieser Vorschrift vor.
3. Bei der Einkommensanrechnung nach § 88 Abs 1 S 2 SGB 12 sind die Fahrtkosten sowie die gesamten Kosten für den PKW (PKW-Vollkosten) anzusetzen. Zu den PKW-Vollkosten gehören laufende Kosten für Benzin und Verschleißreparaturen (zB Reifen, Bremsen, Kupplung sowie Inspektionen), Haftpflicht- und Teilkaskoversicherung und Kosten für die Kfz-Steuer.
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2007 und des weiteren Bescheids vom 27. Dezember 2007 werden aufgehoben, soweit darin vom Kläger ein höherer Kostenbeitrag als die monatliche Rente seiner Ehefrau (derzeit 313,88 €) gefordert wird.
Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten in voller Höhe zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag (Aufwendungsersatz) für Leistungen der Hilfe zur Pflege, die der Beklagte für die Ehefrau des Klägers erbringt.
Der am … 1929 geborene Kläger ist Schwerbehinderter (GdB 70) und erfüllt seit dem 11. April 2006 die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens “G„ (Bescheid des Landratsamts R.). Die am … 1927 geborene Ehefrau des Klägers ist ebenfalls schwerbehindert (GdB 80, Merkzeichen “G„, “B„, Bescheid des Versorgungsamts K. …). Seit April 2005 ist die Ehefrau des Klägers in einem Altenpflegeheim stationär untergebracht.
Am 29. April 2005 beantragte der Kläger beim Beklagten die Übernahme der nicht gedeckten Heimkosten für seine Ehefrau aus Mitteln der Sozialhilfe. Mit Bescheid vom 19. Juli 2005 gewährte der Beklagte der Ehefrau des Klägers für die Zeit der Aufnahme ins Pflegeheim, am 08. April 2005, ein Heimentgelt in Höhe von zur Zeit täglich 90,18 € sowie einen monatlichen Barbetrag von 90,-- €. Weiter hieß es, die Abrechnung erfolge unmittelbar mit dem Heimträger. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag wandte sich der Beklagte an den Kläger und setzte gegen ihn nach Überprüfung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus seinem Einkommen einen monatlichen Kostenbeitrag, für die seiner Ehefrau vom Beklagten gewährten Pflegeleistungen ab Mai 2005 in Höhe von 702,02 € fest. Für die Zeit vom 08. April bis zum 30. April 2005 wurde der Kostenbeitrag mit 538,20 € berechnet. Zur Begründung hieß es, der Kostenbeitrag berechne sich gemäß § 35 SGB XII i. V. m. den §§ 85 ff. SGB XII. Dem Kläger und seiner Ehefrau sei die Aufbringung der Mittel aus ihrem Einkommen und Vermögen in der angegebenen Höhe monatlich zuzumuten. Die Verpflichtung zur Zahlung des Kostenbeitrags bestehe, solange Sozialhilfe gewährt werde. Für die Zeit vom 08. April 2005 bis zum 31. Juli 2005 seien 2.644,26 € nachzuzahlen.
Den am 02. August 2005 erhobenen Widerspruch gegen den Bescheid über die Festsetzung eines Kostenbeitrags zu Lasten des Klägers ermäßigte der Beklagte den vom Kläger geforderten Kostenbeitrag mit Bescheid vom 29. September 2005 monatlich 673,20 €. Zur Begründung hieß es, aufgrund neuer vorgelegter Nachweise sei die Kostenbeitragsberechnung korrigiert worden. Der in der Zeit zwischen dem 08. April und dem 30. September 2005 zu zahlende Kostenbeitrag betrage insgesamt 3.882,12 €. Daraufhin seien bislang 1.880,52 € geleistet worden. Der Restbetrag von 2.001,60 € sei nunmehr zu zahlen.
Auf den auch dagegen am 11. Oktober 2005 erhobenen Widerspruch änderte der Beklagte den vom Kläger geforderten Kostenbe...