Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer rechtmäßigen fristlosen Kündigung des Versorgungsvertrags mit einer Pflegeeinrichtung durch den Landesverband der Pflegekassen. einstweiliger Rechtschutz
Orientierungssatz
1. Nach § 72 Abs. 1 SGB 11 dürfen Pflegekassen ambulante und stationäre Pflege nur durch Pflegeeinrichtungen gewähren, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht. Nach Abs. 3 S. 1 dürfen Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten.
2. Die Qualitätsprüfung nach § 80 Abs. 2 SGB 11 erstreckt sich sowohl auf den medizinisch-fachpflegerischen Bereich, als auch beinhaltet sie einen administrativen Teil, der von einem im Regelfall nichtmedizinischen Sachverständigen zu prüfen ist. Vom Träger des Pflegedienstes sind auf Verlangen die für die Qualitätsprüfung notwendigen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen.
3. Nach § 74 Abs. 2 S. 1 SGB 11 kann der Versorgungsvertrag von den Landesverbänden der Pflegekassen fristlos gekündigt werden, wenn die Einrichtung ihre Verpflichtungen gegenüber den Pflegebedürftigen oder deren Kostenträgern derart gröblich verletzt, dass ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar ist.
4. Die Kündigung ist nach § 74 SGB 11 von strengen Voraussetzungen abhängig. Dem Landesverband ist Ermessen eingeräumt, bei dessen Ausübung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist.
5. Enthält die Kündigung keinerlei Ermessenserwägungen und liegt eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor, so ist die rechtswidrig ergangene fristlose Kündigung des Versorgungsvertrags aufzuheben.
Tenor
1. Die außerordentliche fristlose Kündigung des zwischen den Beteiligten am 10. November/27. November/05. Dezember 1997 nach § 72 Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) geschlossenen Versorgungsvertrages durch die Antragsgegner als Verbände der Pflegekassen in Hessen mit Schreiben der Antragsgegnerin zu 1) vom 13. Oktober 1999 wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vorläufig ausgesetzt.
2. Die Antragsgegner haben der Antragstellerin die zur notwendigen Rechtsverfolgung entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Streit.
Die Antragstellerin betreibt einen privaten Pflegedienst. Insoweit werden sowohl Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) als auch nach dem SGB XI erbracht. Den Leistungen nach dem SGB V (häusliche Krankenpflege in Form von Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftlicher Versorgung nach § 37 Abs. 1 SGB V, häusliche Krankenpflege in Form von Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V und häusliche Pflege gemäß § 198 Reichsversicherungsordnung - RVO -) liegt ein von ihr mit dem Arbeitskreis Kasseler Krankenkassen nach § 132 As. 1 SGB V (a. F.) geschlossener, am 1. Oktober 1995 in Kraft getretener Vertrag vom 28. September 1995, jeweils mit Nachträgen vom 13. März 1998 gemäß § 132 a SGB V (n. F.) zugrunde. Der Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI wurde schließlich am 10. November / 27. November / 5. Dezember 1997 zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnern als Landesverbände der Pflegekassen in Hessen mit Wirkung ab 1. Oktober 1997 geschlossen, wobei Gegenstand des Vertrages die Erbringung von Pflegesachleistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 36 SGB XI sind und dabei die Versorgungspflicht im Einzelfall die Leistungen umfasst, auf die der Pflegebedürftige gegenüber seiner Pflegekasse gemäß den Vorschriften des SGB XI eine Anspruch hat und die er im Rahmen seiner Wahlfreiheit durch den Pflegedienst erbringen lassen will. Bestandteil dieses Vertrages sind dabei gleichzeitig auch die Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen nach § 80 SGB XI in der ambulanten Pflege (vom 10. Juli 1995, i. d. F. vom 31. Mai 1996, BAnz 1996 Nr. 156 a, Seite 3) sowie die Regelungen des Hessischen Rahmenvertrages nach § 75 SGB XI. In § 13 Abs. 1 des Versorgungsvertrages nach § 72 SGB XI ist schließlich geregelt, dass für den Fall, dass ein Vertragspartner entgegen den Bestimmungen dieses Vertrages handelt, vom jeweils anderen Vertragspartner Abhilfe bzw. Unterlassung verlangt werden kann, wobei die Aufforderung der Schriftform bedarf und Schadensersatzansprüche davon unberührt bleiben. Nach Abs. 2 kann der Versorgungsvertrag für den Fall, dass ein Vertragspartner seine Vertragsverstöße trotz des Verfahrens nach Abs. 1 fortsetzt oder in schwerwiegendem Maße gegen die Bestimmungen des Vertrages handelt, diesem gegenüber mit sofortiger Wirkung außerordentlich gekündigt werden. Als schwerwiegende Verstöße gelten nach Abs. 3 dabei insbesondere u. a. Verstöße gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI sowie Pflichtverletzungen aufgrund derer eine Schädigung eines Pflegebedürftigen an Leib, Leben sowie die Verletzung sein...