Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 02.02.2017 bis 30.06.2017, längstens jedoch bis zur Entscheidung in einem Klageverfahren hinsichtlich des Widerspruchs des Antragstellers vom 24.01.2017 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.01.2017, Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch im Umfang der jeweiligen Regelleistungen sowie der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen.

 

Gründe

I.

Streitig ist ein Anspruch des Antragstellers auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) gegenüber der Antragsgegnerin.

Der 1988 geborene Antragsteller ist bulgarischer Staatsangehöriger. Ausweislich der Daten der Meldebehörde der Stadt Kassel ist der Antragsteller seit 01.08.2013 in A-Stadt in der A-Straße gemeldet. Nach eigenem Vorbringen hat sich der Antragsteller bereits von 2010 bis 2011 in Deutschland und zwar in D-Stadt aufgehalten. Nach vorübergehender Rückkehr nach Bulgarien will er dann im Verlaufe des Jahres 2012 wieder nach Deutschland eingereist sein. Hierüber liegen keinerlei Meldedaten vor. Seit 01.08.2013 ist er unter der o. g. Adresse gemeldet. Er lebt dort in einer Wohnung gemeinsam mit Frau C., seiner Halbschwester. Diese erhält aufstockend zu ihrem Erwerbseinkommen Leistungen vom Jobcenter Stadt Kassel. Der Antragsteller hat bisher in Deutschland keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Im Rahmen eines beim Sozialgericht Kassel geführten Verfahrens zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes (S 12 SO 8/16 ER) hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab 10.12.2015 Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt), d. h. neben dem Regelbedarf auch die anteiligen Unterkunftskosten für die Wohnung in der A-Straße in A-Stadt bewilligt. Ausweislich Blatt 129 der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin ist dem Antragsteller mit Bescheid vom 29.03.2016 ab 10.12.2015 für den Dezember 2015 und fortlaufend für die Monate Januar, Februar und März 2016 die genannte Leistung bewilligt worden. Diese ist ihm auch ab April 2016 fortlaufend weiter gezahlt worden.

Mit Schreiben vom 21.12.2016 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, er erhalte aufgrund der seit dem 03.12.2015 ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als erwerbsfähiger EU-Bürger zur Finanzierung seines Lebensunterhalts Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Aufgrund einer zum 01.01.2017 eingetretenen Gesetzesänderung zu § 23 SGB XII entfalle dieser Anspruch mit Ablauf des 31.12.2016. Sofern der Antragsteller keine Arbeitnehmereigenschaft aufweise, kein Aufenthaltsrecht besitze oder sich sein Aufenthaltszweck allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, habe er keinen weiteren Anspruch auf Sozialhilfe. Ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland habe der Antragsteller nur bei Erfüllung der Voraussetzungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU, § 2. Wenn er seinen Lebensunterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz nicht selbst sicherstellen könne, habe er kein Aufenthaltsrecht (§ 4 Freizügigkeitsgesetz/EU). Bis zu seiner Ausreise könne er für längstens einen Monat nochmals eingeschränkte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, der Unterkunfts- und Heizkosten sowie zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erhalten. Außerdem könne ihm für seine Rückreise ein Darlehen für angemessene Fahrtkosten bewilligt werden. Das Schreiben stelle eine Anhörung nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar. Der Antragsteller äußerte sich hierzu nicht.

Mit Bescheid vom 30.12.2016 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für die Zeit ab 1. Januar 2017 Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung des geänderten Regelbedarfs (409,00 €) und der Unterkunftskosten wie bisher. Der Bescheid enthielt den Berechnungsbogen für den Monat Januar 2017 und in der dem Bescheid beigefügten Bescheinigung zur Inanspruchnahme von Vergünstigungen die Formulierung: „Die Leistung wird bis auf weiteres gewährt. Anhaltspunkte für eine Beendigung der Leistung liegen gegenwärtig nicht vor.“

Mit Bescheid vom 17.01.2017 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, die bisher nach dem Dritten Kapitel des SGB XII gewährten Leistungen stelle sie ein zum 01.02.2017. Zur Begründung führte sie aus, ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland habe der Antragsteller nur bei Erfüllung der Voraussetzungen des Freizügigkeitsgesetzes (§ 2). Da er sich in der Vergangenheit nicht um die Arbeitsuche bemüht habe und sich auch zum Anhörungsschreiben vom 21.12.2016 nicht geäußert habe, gehe die Antragsgegnerin davon aus, dass der Antragsteller nicht zum Zwecke der Arbeitsuche eingereist sei. Weiterhin sei er nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt und den Krankenversicherungsschutz selbst sicher zu stellen. Demna...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge