Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Höhe. Nettoarbeitsentgelt. wirksamer Ergänzungsarbeitsvertrag. Aufstockung der Arbeitszeit innerhalb des Insolvenzgeldzeitraumes. keine analoge Anwendung des § 172 Abs 1 Nr 1 Buchst b SGB 3. Durchführungsanweisung der BA. Inhaltskontrolle nach BGB ausreichend

 

Leitsatz (amtlich)

§ 172 Abs 1 Nr 1 Buchst b SGB 3 in der bis zum 31.3.2012 geltenden Gesetzesfassung (nunmehr § 98 Abs 1 Nr 1 Buchst b SGB 3) findet keine entsprechende Anwendung auf Arbeitsverhältnisse im Insolvenzzeitraum. Für eine analoge Anwendung der Vorschrift, wie sie die Dienstanweisung der Beklagten zu § 183 SGB 3 aF (nunmehr § 165 SGB 3) in Ziffer 2.2 (14) vorsieht, besteht kein Raum, da eine Inhaltskontrolle des geschlossenen Arbeitsvertrages nach zivilrechtlichen Vorschriften ausreichend ist.

 

Tenor

1) Der Bescheid der Beklagten vom 14.02.2012 wird unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2012 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Dezember 2011 höheres Insolvenzgeld auf der Grundlage eines Brutto-Arbeitsentgeltes von 2.100,00 Euro zu gewähren.

2) Die Beklagte hat der Klägerin ihre Kosten zu erstatten.

3) Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um höheres Insolvenzgeld für den Monat Dezember 2011.

Die 1994 geborene Klägerin war als Bürokauffrau im Personalwesen bei der XY. Metall- und Kunststoffverarbeitungs-GmbH in A-Stadt bis zum 31.12.2011 versicherungspflichtig beschäftigt. Das Amtsgericht Eschwege ordnete mit Beschluss vom 30.11.2011 zunächst die vorläufige Insolvenzverwaltung über die Arbeitgeberin unter Einsetzung einer vorläufigen Insolvenzverwalterin an; das Insolvenzverfahren über die Arbeitgeberin wurde vom Insolvenzgericht am 01.01.2012 eröffnet (Insolvenzgeld-Bescheinigung der Insolvenzverwalterin vom 06.02.2012). Seit dem 1. Oktober 2011 bezog die Klägerin von der Arbeitgeberin kein Arbeitsentgelt mehr. Am 01.12.2011 schloss die Klägerin, die zuvor auf geringfügiger Basis (400,00 Euro monatlich) beschäftigt gewesen war, mit der Arbeitgeberin einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 24.09.2010 ab, nach welchem ihr Arbeitsverhältnis ab dem 01.12.2011 von einer geringfügigen Beschäftigung in eine unbefristete Vollzeitstelle zu einem Brutto-Arbeitsentgelt von 2.100,00 Euro monatlich umgewandelt wurde. Mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung für Dezember 2011 wurde für die Klägerin von der Arbeitgeberin ein Brutto-Arbeitsentgelt von 2.100,00 Euro zzgl. einer Urlaubsauszahlung von 447,38 Euro brutto abgerechnet, was unter Anwendung der für die Klägerin geltenden Lohnsteuerklasse 5 ein Netto-Arbeitsentgelt von insgesamt 1.302,36 Euro für Dezember 2011 ergab. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde durch die Insolvenzverwalterin der Arbeitgeberin zum 15.1.2012 gekündigt.

Mit ihrem Antrag auf Insolvenzgeld vom 09.12.2011 begehrte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld wegen ausgefallenem Arbeitsentgeltes für den Zeitraum vom 01.10.2011 bis 31.12.2011. Im Antrag gab sie an, dass erstmals seit Oktober 2011 kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt worden sei. Als Brutto-Arbeitsentgelt gab die Klägerin für Oktober 2011 und November 2011 ein Entgelt von jeweils 400,00 Euro und für den Monat Dezember 2011 in Höhe von 2.547,38 Euro Brutto monatlich an; vom Dezembergehalt seien steuerliche Abzüge (Lohnsteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag) in Höhe von 719,62 Euro und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 525,40 Euro abzusetzen, sodass ein Netto-Auszahlungsbetrag von 1.302,36 Euro verbleibe.

In ihrem Schreiben vom 19.12.2011 teilte die (damals noch vorläufig bestellte) Insolvenzverwalterin der Beklagten mit, die Finanzbuchhaltung der insolventen Arbeitgeberin sei mit eigenen Mitarbeitern geführt, darunter die Klägerin als Teilzeitbeschäftigte. Insgesamt seien fünf Mitarbeiter mit diesen Tätigkeiten beschäftigt gewesen, davon drei in Vollzeit und zwei in Teilzeit. Durch Krankheitszeiten seien eine Vollzeitmitarbeiterin und eine Teilzeitmitarbeiterin ausgefallen. Um die Lohnbuchhaltung und Personalsachbearbeitung aufrechtzuerhalten, sei eine Aufstockung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf eine Vollzeitbeschäftigung im Monat Dezember notwendig geworden. Die Insolvenzverwalterin bescheinigte nach der von ihr ausgestellten Insolvenzgeld-Bescheinigung vom 06.02.2012 der Klägerin für die Monate Oktober bis Dezember 2011 ein jeweils nicht ausgezahltes Netto-Arbeitsentgelt in Höhe von jeweils 400,00 Euro monatlich. Mit Bescheiden vom 13.12.2011 und vom 20.12.2011 gewährte die Beklagte der Klägerin zunächst Vorschüsse auf das beantragte Insolvenzgeld von 350,00 Euro und 250,00 Euro.

Mit Bescheid vom 14.02.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01.10. bis 31.12.2011 Insolvenzgeld in Höhe von 1.200,00 Euro unter Anrechnung der erhaltenen Vorschüsse von insgesamt 600,00 Euro. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 16.02.2012 Widerspruch und machte geltend, für Dezember 2011 habe die Beklagte...

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