Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Autismus in Form eines Asperger-Syndroms. Anforderungen an die rückwirkende Feststellung eines Behinderungsgrades

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen an die rückwirkende Feststellung eines Behinderungsgrades bei einem Asperger-Syndrom nach der 3. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VersMedVÄndV 3) vom 17.12.2010 (BGBl I 2010, 2124).

 

Tenor

Der Bescheid vom 21.10.2009 in der Fassung des Abhilfebescheids vom 24.11.2009, des Widerspruchsbescheids vom 23.02.2010, des Teilabhilfebescheids vom 01.07.2010 und des Änderungsbescheids vom 01.04.2011 sowie der Ergänzungsbescheid vom 25.11.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2010 und des Teilabhilfebescheids vom 01.07.2010 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 19.02.2008 zurückzunehmen und einen Grad der Behinderung von 80 und die Merkzeichen “G„, “B„ und “H„ ab dem 01.08.2003 festzustellen.

Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligen streiten über die Höhe des festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) und über das Vorliegen der Merkzeichen “G„, “B„ und “H„, wobei neben einer Anhebung des derzeitigen GdB eine rückwirkende Feststellung begehrt wird.

Der in 2003 geborene Kläger stellte am 10.01.2008 erstmalig über seine Mutter einen Antrag nach dem Schwerbehindertenrecht. Als Behinderungen bzw. Auffälligkeiten werden u.a. eine motorische und logopädische Auffälligkeit, Krämpfe in den Beiden, Muskelschwächen und eine Angstunempfindlichkeit genannt.

Dem Antrag beigefügt war ein Befundbericht des J. J-Stadt vom 11.03.2004 mit dem Hinweis auf einen Zustand nach Frühgeburt in der 31. Schwangerschaftswoche und den Ausschluss einer Nierenkrankheit (Bl. 3 Verwaltungsakte).

Ein Kurzbericht des Müttergenesungsheims C-Stadt vom 20.04.2005 kann entnommen werden, dass der Kläger dort von 11.03.2005 bis 01.04.2005 zur Kur war. Der Kläger befinde sich in einem guten Allgemeinzustand. Der Bewegungsapparat sei regelrecht. Ziel der Maßnahme sei die Stärkung der Infektabwehr. Unter den günstigen klimatischen Bedingungen stabilisierten sich die Atemwege und körperlichen Abwehrkräfte des Jungen. Der Kläger gewöhne sich gut in die Kindergruppe ein und zeige ein altersentsprechendes Verhalten. Bei der Abschlussuntersuchung sei der Kläger gut erholt und beschwerdefrei gewesen (Bl. 10 Verwaltungsakte).

Ein Befundbericht des WR.Krankenhauses J-Stadt - Kinderklinik - vom 06.09.2005 verweist auf einen stationären Aufenthalt anlässlich eines Atemwegsinfekts mit hohem Fieber. Der zweijährige Junge befinde sich in einem leicht reduzierten Allgemeinzustand mit leicht reduziertem Hautturgor. Es bestehe eine diskrete Rhinitis. Der Rachenring und die Tonsillen seien gerötet. Es zeigten sich vesikuläre Atemgeräusche. Der restliche internistisch-pädriatrische Untersuchungsbefund sei altersentsprechend unauffällig gewesen (Bl. 12 Verwaltungsakte).

In der Verwaltungsakte befindet sich des Weiteren eine Karteikarte in Form eines Computerausdrucks erstellt am 29.11.2007 über Behandlungen des Klägers. Der Karteikarte kann entnommen werden, dass der Kläger in regelmäßiger Behandlung insbesondere wegen Atemwegs und Verdauungsbeschwerden war. Unter dem 01.04.2004 wird dort eine “altersgerechte Entwicklung„, unter dem 01.04.2004 und dem 01.10.2004 werden ein “gutes Gedeihen„ und unter dem 28.06.2005 eine “altersgerechte Entwicklung„ und eine “motorische Mobilität„ beschrieben. Am 26.02.2007 und 18.06.2007 sei der Kläger wegen einer “Adynamie„ und einer psychogenen Essensverweigerung vorstellig geworden. Bei der Vorsorgeuntersuchung U8 hätten sich eine motorische Unsicherheit, eine motorische Entwicklungsverzögerung und ein Sigmatismus gezeigt (Bl. 14 ff. Verwaltungsakte).

Einem Pflegegutachten des MDK vom 11.01.2008 lag eine ambulante Untersuchung am 08.01.2008 zugrunde (Bl. 24 ff. Verwaltungsakte). Dem Gutachten kann zunächst entnommen werden, dass zuvor noch keine Pflegestufe bewilligt worden sei. Zu den pflegerelevanten Vorerkrankungen werden ein frühkindliches Asthma bronchiale, eine Bronchitis, eine Obstipationsneigung, eine Exikose bei Nahrungsverweigerung und eine Muskelschwäche genannt. An jetzigen pflegerelevanten Beschwerden werden Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen und Krämpfe in den Beinen genannt. Der Kläger bewege sich im Haus selbständig fort und habe einen Sprachrückstand. Zum Allgemeinzustand kann dem Gutachten entnommen werden, dass der vierjährige Kläger vom globalen Entwicklungsstand her leicht retardiert sei. Sein Verhalten sei distanzgemindert. Die Kontakt- und Dialogfähigkeit sei eingeschränkt. Die Kooperation sei im Altersvergleich gemindert. Hinsichtlich der oberen Extremitäten wird eine allgemeine Schwäche der oberen Extremitäten beschrieben. Auch hinsichtlich der unteren Extremitäten bestehe eine allgemeine Schwäche. Das Aufstehen aus sitzender und liegender Position sowie das Stehen seien s...

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