Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Berücksichtigung von Beiträgen des Mieters zu einer Privathaftpflichtversicherung. mietvertragliche Verpflichtung

 

Orientierungssatz

Die Kosten einer Privathaftpflichtversicherung, zu deren Abschluss der Mietvertrag den Mieter verpflichtet, sind als Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.06.2021; Aktenzeichen B 4 AS 76/20 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 25.08.2015 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 05.11.2015 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Änderung des Bewilligungsbescheides vom 10.08.2015 verurteilt, dem Kläger weitere 4,10 € monatlich als Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01.09.2015 bis 29.02.2016 zu gewähren.

2. Der Beklagte hat dem Kläger seine Kosten zu erstatten.

3. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Bewilligung von höheren Kosten der Unterkunft im Rahmen des Arbeitslosengeldes II nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II in Form einer Haftpflichtversicherung für Mietschäden.

Der zum damaligen Zeitpunkt alleinstehende Kläger stellte am 29. Juli 2015 bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Er bezog nach vorheriger Zusicherung eine Wohnung, deren Kosten vom Beklagten mit Schreiben vom 13. Juli 2015 als angemessen bezeichnet wurden. Im Wohnungsmietvertrag vom 16. Juli 2015 findet sich unter § 16 (Besondere Vereinbarungen) die Klausel: „Der Mieter hat vor Einzug noch eine bestehende Privathaftpflichtversicherung nachzuweisen und danach jedes Jahr unaufgefordert erneut!!!!!“. Der Kläger unterhielt bereits seit dem 1. Juli 2014 bei der Versicherungsgesellschaft B. Versicherungen eine Privathaftpflichtversicherung, welche er der Beklagten nachwies (Bl. 41 ff. Beklagtenakte). Der Jahresbeitrag ist hierin mit 49,20 € aufgeführt. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10. August 2015 Leistungen nach dem SGB II, hierunter Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.H.v. 399,00 €, was einen Betrag für eine Haftpflichtversicherung nicht enthielt. Mit Schreiben vom selben Tage forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage vom Schriftverkehr mit seiner Versicherung auf. Unter den vorgelegten Unterlagen findet sich ein Schreiben des Rheingau-Taunuskreises vom 3. Juni 2014, dem früheren Leistungsträger des Klägers, wonach ihm für die Kosten der Haftpflichtversicherung als Kosten der Unterkunft Leistungen i.H.v. 4,10 € monatlich zuerkannt wurden.

Mit Bescheid vom 25. August 2015 lehnte der Beklagte die Zahlung von Kosten der Unterkunft für die Haftpflichtversicherung ab, da das Sozialgesetzbuch II eine solche Leistung nicht vorsehe. Mit seinem Widerspruch vom 5. September 2015 wandte sich der Kläger hiergegen. Er begründete seinen Widerspruch damit, sein Vermieter verlange im Mietvertrag eine Haftpflichtversicherung. Auch das Landessozialgericht Hamburg habe in seiner Entscheidung L 4 AS 367/10 vom 9. August 2012 eine solche Kostenübernahme angenommen. Es werde um Übernahme der Kosten gebeten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2015 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, die Kostenübernahme für die Haftpflichtversicherung finde im SGB II keine Rechtsgrundlage. Richtig sei zwar, dass das Jobcenter Bad Schwalbach im Schreiben vom 3. Juni 2014 die Kosten für die Haftpflichtversicherung als Bedarf anerkannt habe. An diese Entscheidung sei der Beklagte jedoch nicht gebunden. Hinzu trete, dass die Entscheidung sich auch auf eine andere Wohnung bezogen habe, deren Umstände unbekannt seien. Überdies stellten die beantragten Kosten für eine private Haftpflichtversicherung keine Kosten der Unterkunft und Heizungen dar, da die Beiträge nicht ausschließlich auf die tatsächlich genutzte Unterkunft bezogen seien. Eine allgemeine private Haftpflichtversicherung diene vielmehr auch dazu, Schäden, die nicht im Zusammenhang mit der Wohnung stünden, auszugleichen. Eine Übernahme würde darüber hinaus diejenigen Leistungsberechtigten benachteiligen, welche keine solche Vereinbarung in ihrem Mietvertrag abgeschlossen haben.

Hiergegen richtet sich die am 30. November 2015 bei dem Sozialgericht Kassel erhobene Klage.

Der Kläger hält an seinem Vorbringen fest, wonach die Beiträge für die von ihm abgeschlossene Haftpflichtversicherung, die auch die Kosten für Mietschäden als Risiko umfasst, als Kosten der Unterkunft erstattungsfähig seien. Hierbei beruft er sich auf das bereits gegenüber dem Beklagten angegebene Urteil des Landessozialgerichts Hamburg.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Bescheid des Beklagten vom 25. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2015 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 10. August 2015 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm weitere Kosten der Unterkunft i.H.v. 4,10 € monatlich für die Zeit vom 1. September 2015 bis 29. Februar 2016 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abz...

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