Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende: Anspruch auf höhere Regelleistung sowie Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten
Orientierungssatz
1.Der Zusicherungsvorbehalt des § 22 Abs. 2a SGB II gilt nur dann, wenn ein unter 25-jähriger aus dem elterlichen Haushalt auszieht, obwohl er seinen Lebensunterhalt absehbar nicht dauerhaft aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten kann. Hierbei muss eine Prognoseentscheidung zum Zeitpunkt des Auszuges maßgeblich sein (ex ante Sicht), da eine ex post Betrachtung dem Betroffenen das volle Risiko unvorhersehbarer Veränderungen in der Zukunft aufbürden würde.
2.Der Vortrag, dass auch bei einer Einnahmesituation, die unterhalb der Höhe des Anspruchs auf SGB II-Leistungen liegt, von einer Sicherung des Lebensunterhaltes aus eigenen Kräften und Mitteln ausgegangen werden könne, die bei einem neuerlichen Antrag auf SGB II-Leistungen wie vorliegend zu einem umfassenden Leistungsanspruch führen müsste, kann keine Beachtung finden. Folgte man dieser Betrachtung, könnte jeder unter 25jährige durch vorübergehende Einschränkung seiner Bedürfnisse auf das absolute Existenzminimum und unter einem möglichen Rückgriff auf ein etwaiges Schonvermögen sich eine gewisse Zeit aus dem SGB II-Bezug abmelden und in eine eigene Wohnung umziehen, um alsbald einen neuerlichen Antrag auf umfassende SGB II-Leistungen zu stellen.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Gewährung einer höheren Regelleistung sowie die Übernahme ihrer Unterkunftskosten, soweit diese angemessen sind.
Die am ….1988 geborene Antragstellerin bildete zunächst mit ihrem Vater eine Bedarfsgemeinschaft, wohnhaft X-Str. in P. Am 10.03.2009 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass sie sich mit Wirkung zum 01.04.2009 aus dem Leistungsbezug abmelde. Für die Zeit vom 01.04.2009 bis zum 31.10.2009 bezog die Antragstellerin keine Grundsicherungsleistungen von der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin schloss am 01.03.2009 einen Mietvertrag über eine Wohnung in der G.-Str. in P. Ausweislich des Vertrages begann die Mietzeit am 01.03.2009. Die Kaltmiete für die laut Mietvertrag 46,5qm große Wohnung beträgt seit November 2009 EUR 220,00, der Betriebskostenvorschuss beläuft sich auf EUR 70,00, die Heizkostenvorauszahlung beträgt EUR 100,00.
Eine Zusicherung gemäß § 22 Abs. 2a Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) der Antragsgegnerin holte die Antragstellerin vor dem Umzug nicht ein.
Am 02.11.2009 beantragte die Antragstellerin erneut Grundsicherungsleistungen bei der Antragsgegnerin.
Mit Bescheid vom 01.12.2009 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin für den Zeitraum vom 01.11.2009 bis zum 30.04.2009 Leistungen in Höhe von EUR 287,00 monatlich. Leistungen für Unterkunft und Heizung gewährte die Antragsgegnerin nicht. Zur Begründung verwies sie auf die Regelungen des § 20 Abs. 2a SGB II sowie § 22 Abs. 2a SGB II.
Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch der Antragstellerin vom 29.12.2009 wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2010 zurück.
Die Antragstellerin erhob am 16.02.2010 hiergegen Klage vor dem SG Kiel (S 40 AS 260/10).
Am selben Tag hat sie ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG Kiel angestrengt und hierfür Prozesskostenhilfe beantragt.
Sie macht insbesondere geltend, dass das Mietverhältnis für die Wohnung in der G.-Str. in P. ab dem 01.04.2009 in Vollzug gesetzt worden wäre. Entsprechend habe es aufgrund des Ausscheidens der Antragstellerin aus dem Leistungsbezug zum 01.04.2009 keiner vorherigen Zusicherung der Antragsgegnerin zur Übernahme der Unterkunfts- und Heizkosten gemäß § 22 Abs. 2a SGB II bedurft. Die Antragstellerin habe davon ausgehen können, ihren Lebensunterhalt ab dem 01.04.2009 aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten zu können. Sie habe in der Zeit von Januar 2009 bis Oktober 2009 monatlich durchschnittlich EUR 136,80 aus geringfügiger Beschäftigung im Restaurant “F.”, EUR 175,00 Wohngeld sowie EUR 150,00 Taschengeld von ihrem Vater zur Verfügung gehabt. In den Monaten Juni und August 2009 habe sie zudem je EUR 65,00 bei Fa. G.-Veranstaltungen verdient. Der Taschengeldzahlung durch ihren Vater liege eine schriftliche Vereinbarung mit diesem vom 01.04.2009 zugrunde.
Der Umstand, dass der Antragstellerin in der Zeit vom 01.04.2010 bis zum 31.10.2009 nur Mittel in Höhe unterhalb eines möglichen SGB II-Leistungsanspruchs zugestanden hätten, ließe keine Rückschlüsse auf ihre Möglichkeit zu, in dieser Zeit absehbar aus eigenen Mitteln ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Dies ergebe sich bereits daraus, dass dem Hilfebedürftigen nur auf Antrag SGB II-Leistungen erbracht werden und er sich auch entscheiden könne, mit Einnahmen unterhalb der SGB II-Leistungen sein Lebensunterhalt zu bestreiten.
Die ...