Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenentscheidung gem § 193 Abs. 1 S. 3 SGG. Erledigung des Rechtsstreits. gerechte Kostenaufteilung. Erfolgsaussichten der Klage. keine weitere Aufklärungspflicht des Gerichts. Untätigkeitsklage. Beweis. Zeitpunkt des Zugangs des Widerspruchs. Telefax. Sendeprotokoll. Empfangsjournal
Orientierungssatz
1. Erledigt sich der Rechtsstreit in der Hauptsache, bevor die für eine Sachentscheidung notwendige Aufklärung des Sachverhalts erfolgt ist und besteht deshalb bezüglich der Erfolgsaussichten der Klage Ungewissheit, so entspricht es in der Regel billigem Ermessen, die Kosten zu teilen. Das Gericht ist nicht verpflichtet, allein für die Kostenentscheidung den Sachverhalt weiter aufzuklären (vgl LSG Schleswig vom 13.12.1977 - L 1 SB 5/75 = Breith 1978, 907).
2. Ein Fax-Sendeprotokoll mit dem Vermerk "OK" erbringt keinen vollen Beweis für den Zugang eines Rechtsmittels (hier im Rahmen einer Untätigkeitsklage gem § 88 Abs 2 SGG). Dem Sendeprotokoll kommt aber insoweit Indizwirkung zu, dass alle Anhaltspunkte zu prüfen und zu würdigen sind, die für die Frage des Eingangs des Rechtsmittels von Bedeutung sein können. Gegebenenfalls sind weitere Ermittlungen von Amts wegen wie die Heranziehung des Empfangsjournals oder eine sachverständige Beratung erforderlich.
Tenor
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1/2.
Gründe
Endet, wie im vorliegenden Fall, ein Gerichtsverfahren nicht durch Urteil, ist durch Beschluss darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang Kosten zu erstatten sind (§ 193 Abs.1 Satz 3 SGG). Die nach dieser Vorschrift zu treffende Kostenentscheidung ergeht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes (BSG SozR 1500 § 193 SGG Nr. 3; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.04.1992, Az. L 18 J 24/91). Dabei ist auf der einen Seite der vermutliche Verfahrensausgang zu beachten, wobei von dem im Zeitpunkt der Erledigung vorliegenden Sach- und Streitstand auszugehen ist. Andererseits sind auch andere, sich aus der Prozessgeschichte ergebende Umstände zu berücksichtigen, die für eine gerechte Verteilung der Kosten von Bedeutung sein können. Maßgebend sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage sowie die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung des Rechtsstreits (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.06.1999, Az. L 3 B 44/99; Beschluss vom 16.04.1998, Az. L 3 Sb 84/97; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.03.1996, Az. L 18 SJ 1/96 ).
Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1/2 zu tragen. Es erscheint vorliegend sachgerecht, die außergerichtlichen Kosten der Kläger zwischen den Beteiligten aufzuteilen. Die Erfolgsaussichten der am 29.01.2010 eingereichten Klage waren unklar, da das Verfahren sich vor der Einleitung gerichtlicher Ermittlungen erledigt hat. Das Ergebnis des Verfahrens war offen.
Letztlich konnte bis zur Erledigung des Rechtsstreits nicht festgestellt werden, ob der Beklagte tatsächlich untätig im Sinne des § 88 Abs. 2 SGG war. Zwar haben die Kläger zum Widerspruchsschreiben vom 25.06.2009 ein entsprechendes Fax-Sendeprotokoll mit dem Vermerk “OK„ vorlegen können. Dieses erbringt jedoch keinen vollen Beweis für den Zugang des Widerspruchs (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 20.10.2009, Az. B 5 R 84/09 B; Beschluss vom 19.05.2005, B 10 EG 3/05 B). Dem Sendeprotokoll kommt Indizwirkung zu, so dass alle Anhaltspunkte zu prüfen und zu würdigen sind, die für die Frage des Eingangs des Widerspruchs von Bedeutung sein können. Gegebenenfalls wären weitere Ermittlungen von Amts wegen wie die Heranziehung des Empfangsjournals oder eine sachverständige Beratung erforderlich gewesen (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.01.2012, Az. L 7 AS 10.01.2012; Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.04.2006, Az. IV ZB 20/05; Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 19.06.2008, Az. 8 U 80/07).
Nach Bescheidung des spätestens am 04.02.2010 bei dem Beklagten zugegangenen Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 01.03.2010 haben die Kläger das Verfahren für erledigt erklärt. Erledigt sich der Rechtsstreit in der Hauptsache, bevor die für eine Sachentscheidung notwendige Aufklärung des Sachverhalts erfolgt ist und besteht deshalb bezüglich der Erfolgsaussichten der Klage Ungewissheit, so entspricht es in der Regel billigem Ermessen, die Kosten zu teilen. Das Gericht ist nicht verpflichtet, allein für die Kostenentscheidung den Sachverhalt weiter aufzuklären (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13.12.1977, Az. L 1 SB 5/75).
Fundstellen