Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.05.2021; Aktenzeichen B 3 P 20/20 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Wirksamkeit einer Klagerücknahme.

Der Kläger, geboren 1951, hatte unter den Az. S 9 P 211/16  am 29.09.2016 eine Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 24.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2016 erhoben, mit denen die Feststellung einer Pflegestufe und die Gewährung von Pflegeleistungen nach der bis 31.12.2016 geltenden Fassung des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) abgelehnt worden war. Nach Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. E hatte das Gericht den inzwischen mandatierten Rechtsanwalt des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2017, in der der Kläger nicht anwesend war, darauf hingewiesen, dass nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen lediglich ein grundpflegerischer Hilfebedarf in einem Umfang von 20 Minuten im Tagesdurchschnitt festgestellt worden sei, so dass die Voraussetzungen für eine Pflegestufe nach der bis zur 31.12.2016 geltenden Rechtslage nicht vorlägen. Daraufhin nahm der Rechtsanwalt des Klägers die Klage zurück und stellte gleichzeitig zu Protokoll des Gerichts bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Pflegeleistungen nach dem neuen, ab 01.01.2017 geltenden Pflegeversicherungsrecht.

Daraufhin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 19.01.2018 Pflegeleistungen entsprechend dem Pflegegrad 1 ab 20.01.2017.

Mit der am 23.11.2016 erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die von seinem Rechtsanwalt erklärte Klagerücknahme, mit der er nicht einverstanden gewesen sei. Durch die Klagerücknahme sei eine Berufung vor dem Landessozialgericht nicht möglich gewesen. Außerdem habe der Rechtsanwalt den Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und den Merkzeichen G und B nicht vorgelegt. Zwar erhalte er aufgrund der Bewilligung der Beklagten Nachbarschaftshilfe zu einem Betrag von 125,- EUR pro Monat. Für die rückwirkende Zeit würden ihm aber Leistungen aufgrund der Klagerücknahme verweigert. Die Sache müsse neu verhandelt werden.

Der Kläger beantragt  sinngemäß,

festzustellen, dass die Klage unter dem Az. S 9 P 211/16  nicht erledigt ist und ihm rückwirkend Leistungen der sozialen

Pflegeversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist darauf, dass der vorherige Rechtsstreit durch Klagerücknahme erledigt worden sei.

Das Gericht hat den Beteiligten mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Streitsache ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakten der Beklagten und der erledigten Streitakten des SG Köln, Az. S 9 P 211/16.

II.

Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, denn die Streitsache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Der Sachverhalt ist geklärt und die Beteiligten sind angehört worden.

Die Klage ist unzulässig.

Der Rechtsstreit  gegen die Bescheide der Beklagten, der unter dem Az. S 9 P 211/16  geführt wurde, wurde in der Sitzung vom 10.11.2017 durch die von dem Rechtsanwalt des Klägers erklärte Klagerücknahme in vollem Umfang erledigt. Aufgrund der vorgelegten, vom Kläger unterschriebenen Prozessvollmacht bestehen keine Zweifel an der Befugnis des mandatierten Rechtsanwalts, auch eine Rücknahme der Klage zu erklären. Die Klagerücknahme war demnach rechtmäßig erklärt und hat den Rechtsstreit in der Hauptsache vollständig erledigt. Diese Erklärung des Rechtsanwalts muss sich der Kläger in vollem Umfang zurechnen lassen.

Nach § 102 Abs. 1 S. 1 SGG kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstaat in der Hauptsache (§ 102 Abs. 1 S. 2 SGG).

Der Kläger kann sich von der von seinem Rechtsanwalt in seinem Namen erklärten Klagerücknahme auch nicht mehr nachträglich lösen. Die Klagerücknahme kann, weil sie eine Prozesshandlung ist, mit der der Erklärende den Prozess unmittelbar gestaltet, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur BSG, Urteil vom 14.06.1978 - 9/10 RV 31/77; Beschluss vom 19.03.2002 - B 9 V 75/01 ; Beschluss vom 04.11.2009 - B 14 AS 81/08 B) grundsätzlich nicht nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts angefochten werden.

Auch für  einen Widerruf der Klagerücknahme ist im vorliegenden Fall kein Raum. Denn der Widerruf einer Klagerücknahme kommt entsprechend der Rechtsprechung des BSG ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn Gründe vorliegen, die gemäß § 179 SGG i.V.m. §§ 579, 580 ZPO zur Wiederaufnahme eines rechtskräftig beendeten Verfahrens berechtigen würden (BSG, Urteil vom 24.04.1980, 9 V 16/79). Derartige Gründe liegen hier nicht vor.

Die K...

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