Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Gewährung von Grundsicherungsleistungen bei Erwerbsminderung. Feststellung des Hilfebedarfs. Kindergeld für eigene volljährige Kinder als bedarfsdeckendes Einkommen eines Grundsicherungsempfängers

 

Orientierungssatz

Leben die volljährigen Kinder eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung bei Erwerbsminderung mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt und findet ein gemeinsames Wirtschaften statt, wird dem Hilfeempfänger das Kindergeld, das er für die volljährigen Kinder erhält, als Einkommen zugerechnet und folglich auf seinen Hilfebedarf angerechnet.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuches, Zwölftes Buch (SGB XII).

Die Klägerin ist am 00.00.1959 geboren und erhält eine dauerhafte Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von zuletzt 564,98 Euro monatlich. Sie lebt in einem Haushalt mit den Töchtern N (geboren 00.00.1992), E (00.00.1995) und I (geboren 00.00.1999). Für die angemietete Wohnung von 91m² Wohnfläche fällt eine Gesamtmiete in Höhe von 850 Euro an. Die Töchter N und E erhielten zunächst jeweils monatlich Bafög in Höhe von 422 Euro. N hat seit Oktober 2015 keinen Bafög-Anspruch mehr, sondern erhält Einkommen aus einem sogenannten Minijob in Höhe von 400 bis 450 Euro monatlich. E hat zusätzlich seit Juni 2015 einen Minijob, aus der sie Einkünfte von etwa 300 Euro pro Monat erhält. Die Töchter N und E erhalten weiterhin Wohngeld in Höhe von zunächst 292 Euro insgesamt für die Monate November und Dezember 2014 und ab Januar 2015 282 Euro monatlich. Die Klägerin erhält ferner für ihre drei Töchter Kindergeld. Das Kindergeld für die Töchter N und E überweist die Klägerin per Dauerauftrag, die Töchter haben jeweils ein eigenes Konto. N und E wiederum überweisen den eigenen Mietanteil in Höhe von 212,50 Euro direkt an den Vermieter bzw. die Differenz zum Wohngeld, das Wohngeld wird direkt an den Vermieter überwiesen. Die Klägerin und ihre Tochter I erhalten bisher Leistungen durch das Jobcenter Bonn. Im September 2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII. Durch Bescheid vom 10.12.2014 wurde der Antrag abgelehnt. Die Beklagte legt im Wesentlichen dar, dass der Klägerin als Einkommen neben der Rente auch das Kindergeld für die volljährigen Kinder zustehe. Dieses sei als Einkommen des Kindergeldberechtigten bei ihr und nicht bei den Töchtern zu berücksichtigen, sofern die Auszahlung durch die Familienkasse nicht unmittelbar an die Kinder erfolge.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass sie das Kindergeld für N und E per Dauerauftrag weiterleite und in solchen Fällen handele es nach der Rechtsprechung um Einkommen der Kinder.

Durch Widerspruchsbescheid vom 07.07.2015, zugestellt am 14.07.2015 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte legte u.a. dar, dass der Bedarf eines Studenten 670 Euro pro Monat betrage und die volljährigen Kinder 422 Euro Bafög und 146 Euro Wohngeld zur Verfügung hätten. Vom Kindergeld benötigten sie daher nur 102 Euro für ihren Bedarf. Sie selbst könne jeweils 82 Euro vom Kindergeld einbehalten. Hiermit könne sie ihren Bedarf decken.

Mit der am 14.08.2015 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass die Anrechnung von Kindergeld bei ihr als Einkommen ausscheide, da das Kindergeld an die volljährigen Kinder weitergeleitet werde. Daher würden auch die Voraussetzungen einer Abzweigung nach § 74 Einkommenssteuergesetz (EStG) vorliegen. Die Berechnung der Beklagten sei rechtswidrig. Ihr Einkommen liege unterhalb des Selbstbehaltes der Düsseldorfer Tabelle. Sie sei ihren Töchtern daher nicht unterhaltspflichtig. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin dargelegt, dass sie den Haushalt führe auch für die Töchter, die Wäsche wasche und für ihre Töchter koche und auch im Wesentlichen die Haushaltsmittel bezahle. Falls sie aber kein Geld habe, dann verlange sie von N und E gelegentlich Geld zum Einkaufen. Die Töchter zahlten für ihren eigenen Bedarf, zum Beispiel ihre Bücher, die Fahrtkosten, Kleidung und Kosmetik.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.12.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2015 zu verurteilen, ihr ab Oktober 2014 Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte weist darauf hin, dass die Tochter N einen Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes gestellt habe. Dieser Antrag sei aber von der Familienkasse mit der Begründung abgelehnt worden, dass durch die Haushaltsaufnahme ausreichender Unterhalt gewährt würde. Die Klägerin habe einen Gesamtbedarf von 650,42 Euro im Jahre 2014 gehabt, dem Kindergeld in Höhe von 368,- Euro und 555,22 Euro Rente gegenü...

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