Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.09.2023; Aktenzeichen B 10 KG 1/23 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Kindergeld auf Grundlage von § 1 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG).

Der am 00.00.1998 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Er reise am 13.09.2015 in die Bundesrepublik Deutschland als Flüchtling ein und hat eine Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage von § 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz. Sein Vater ist am 00.00.2016 verstorben, seine Mutter lebt - ebenso wie seine beiden (jüngeren) Geschwister - in Syrien. Telefonischer Kontakt des Klägers zu seiner Mutter besteht. Seit August 2018 (bis voraussichtlich August 2021) macht er eine Ausbildung zum technischen Assistenten in der Medizin am Universitätsklinikum in L.. Seine Ausbildungsvergütung beträgt je nach Lehrjahr zwischen 965,24 Euro und 1122,03 Euro brutto.

Der Kläger beantragte am 06.04.2017 die Bewilligung von Kindergeld für sich selbst. Er gab an, den Aufenthaltsort seiner Eltern bzw. seiner Mutter kenne er nicht, habe aber tags zuvor mit ihr telefoniert, ein Aufgebotsverfahren wegen Verschollenheit habe er nicht beantragt. Mit Bescheid vom 04.07.2017 lehnte die Beklagte die Gewährung von Kindergeld auf Grundlage von § 1 Abs. 2 BKGG ab.

Mit Antrag vom 12.11.2018 beantragte der Kläger erneut die Bewilligung von Kindergeld. Sein Bevollmächtigter erklärte hierzu, die Mutter des Klägers lebe in E. in Syrien. Adressen mit Straßennamen und Hausnummern gebe es dort nicht. Sie lebe von einer kleinen Pension ihres verstorbenen Ehemannes; der Kläger habe gelegentlich Telefonkontakt zu ihr.

Mit Bescheid vom 07.02.2019 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag auf Bewilligung von Kindergeld mit Wirkung ab Juli 2018 ab. Der Kläger sei weder Vollwaise noch sei ihm der Aufenthaltsort seiner Eltern bzw. seiner Mutter unbekannt. Dem widersprach der Kläger am 28.03.2019. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2019 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei kein Vollwaise, kenne den Aufenthaltsort seiner Mutter und habe gelegentlichen telefonischen Kontakt zu ihr. Selbst bei sich ändernden Aufenthaltsorten seiner Mutter könne er daher ihren Aufenthaltsort zumindest telefonisch erfragen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 11.07.2019 erhobenen Klage. Der bestehende gelegentliche Telefonkontakt zur Mutter stehe einem Anspruch auf Grundlage von § 1 Abs. 2 BKGG nicht entgegen. Es handele sich hierbei um eine Härtefallvorschrift die auch in seinem Fall zum Tragen komme. Seine Mutter sei herzkrank und wirtschaftlich nicht in der Lage, ihm Unterhalt zu leisten. Unter Verweis auf die Entscheidung des BSG vom 05.05.2015 (Az. B 10 KG 1/14 R) führt er aus, das sozialrechtliche Kindergeld diene alleinstehenden Flüchtlingen als Ausgleich für die eigenen Belastungen und sei daher nicht mit dem steuerrechtlichen Kindergeld vergleichbar. Seine Mutter habe keinen festen Wohnsitz da sie aufgrund des Bürgerkrieges nicht immer an einem Ort lebe. Sie sei selbst wirtschaftlich von ihrer Verwandtschaft abhängig.

Die Beklagte hat - unter Vorlage der Entscheidung - auf ein Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 05.07.2016 (Az.: L 3 KG 3/15) verwiesen und entgegnet, grundsätzlich diene das Kindergeld der elterlichen Entlastung und stehe Personen zu, die als Eltern oder ähnlich wie Eltern mit Unterhalt von Kindern belastet seien. Das sozialrechtliche Kindergeld nach § 1 Abs. 2 BKGG stelle eine Ausnahmeregelung dar und sei als solche eng auszulegen. Wenn Eltern im Ausland lebten - und deshalb keinen Kindergeldanspruch hätten - begründe dies noch keinen Anspruch auf Kindergeld des im Inland lebenden Kindes an sich selbst. Mit einem Vollwaisen i.S.v. § 1 Abs. 2 BKGG sei nur ein Kind vergleichbar, das nicht wisse wo sein überlebender Elternteil seinen Aufenthaltsort habe und deshalb einem Vollwaisen gleichzustellen sei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.11.2020 hat der Kläger unter anderem erklärt, der Telefonkontakt zu seiner Mutter gehe aufgrund der Beschränkung auf Internet-basierte Telefonate (whats-app) von seiner Mutter aus. Sie könne ihn nur anrufen, wenn das Internet funktioniere, was nicht immer der Fall sei. Seine Mutter habe in Syrien keine Arbeit und daher auch kein Geld; für die von ihr inzwischen angemietete Wohnung in E. habe zum Teil er von Deutschland aus die Miete bezahlt. Telefonischen Kontakt zu ihr und seinen Geschwistern habe manchmal zweimal im Monat, in manchen Monaten aber auch gar nicht. Für die weiteren Einzelheiten der Erklärungen des Klägers wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 07.02.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab August 2018 Kindergeld nach § 1 Abs. 2 BKGG nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklage beantragt,

 die Klage abzuweisen.

Für die we...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge