Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Lehrbeauftragten
Orientierungssatz
Ist ein Lehrbeauftragter gegenüber seinem Auftraggeber nicht weisungsgebunden, kann er seine Vorlesungszeiten selbst bestimmen und den Vorlesungsinhalt selbst gestalten, richtet sich seine Vergütung nach der Zahl der geleisteten Unterrichtsstunden, hat er keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und auf Urlaubsgeld, so ist er nicht abhängig beschäftigt, sondern selbständig tätig.
Tenor
Der Bescheid vom 12.02.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2021 wird aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit bei der Klägerin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene zu 1) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin stand und für seine Tätigkeit als Lehrbeauftragter der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.
Der Beigeladene zu 1) stellte am 10.08.2020 den Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für seine Tätigkeit als Lehrbeauftragter bei der Klägerin. Punkt 6 des Antrags lautet "Hiermit beantrage ich nach§7a Absatz 1 SGB IV festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliegt/vorliegt". Der Beigeladene zu 1) kreuzte das Feld "vorliegt" an.
Seinem Antrag fügte er unter anderem die von der Klägerin erteilten Lehraufträge für das Sommersemester 2017, Wintersemester 2017/2018, Sommersemester 2018, Wintersemester 2018/2019, Sommersemester 2019 und Wintersemester 2019/2020 an. Demnach wurde der Beigeladene zu 1) jeweils im Fachbereich Ingenieurwesen für die Lehrveranstaltung Planung und Simulation von Produktionssystemen beauftragt.
Der Lehrauftrag enthält folgende Klauseln:
"1. Der/dem Lehrbeauftragten obliegt die Verpflichtung, die Einkünfte aus dem Lehrgang (Einkünfte aus selbständiger Arbeit,§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ) bei dem zuständigen Finanzamt anzumelden und die Steuern [...] für das ihr/ihm gezahlte Honorar selbst zu entrichten sowie bei bestehender Rentenversicherungspflicht (§ 2 Nr. 9 SB VI) die erforderlichen Meldungen selbst ordnungsgemäß vorzunehmen und die gesetzlichen Beiträge zu zahlen.
[...]
3. Die Lehrveranstaltungen und Prüfungen sind eigenständig durchzuführen. bei Unterbrechung der Lehrtätigkeit wird keine Vergütung gezahlt. Ausgefallene Lehrveranstaltungen sind grundsätzlich im Laufe des Semesters nachzuholen. Im Krankheitsfalle gilt diese Verpflichtung nicht.
4. Aus wichtigem Grund kann der Lehrauftrag durch die Fachhochschule widerrufen werden, z.B. bei zu geringer Hörerzahl, länger anhaltender Krankheit der/des Lehrbeauftragten oder mehrfach ausgefallenen Lehrveranstaltungen. Der Lehrauftrag kann auch auf Antrag der/des Lehrbeauftragten widerrufen werden. Dabei werden die Interessen der/des Lehrbeauftragten und die der Fachhochschule X. gegeneinander abgewogen.
5. Sofern die Lehrveranstaltung nicht zustande kommt oder nicht in vollem Umfang durchgeführt wird, ist die/der Lehrbeauftragte verpflichtet, dies unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich dem zuständigen Studiengangsleiter mitzuteilen.
6. Die/der Lehrbeauftragte ist verpflichtet, Nachweise (Klausuren, Teilfachprüfungen, Fachprüfungen u.a.) über den Lehr- und Lernerfolg der Lehrveranstaltung entsprechend der gültigen Prüfungsordnung abzunehmen und Abschlussarbeiten aus ihrem/seinem Gebiet zu betreuen. Außerdem muss auf Verlangen an Prüfungen mitgewirkt werden, soweit dies aus zwingenden Gründen erforderlich ist."
Der Information über Sondervergütungen für nebenberufliche Dozenten/Lehrbeauftragte ist zu entnehmen, dass jeder Dozent seine Lehrveranstaltungen und Prüfungen eigenständig durchführe. Nur die tatsächlich gehaltenen Lehrveranstaltungen seien abzurechnen. Des Weiteren könnten für die Teilnahme an Konferenzen pro Semester zwei Stunden pauschal abgerechnet werden.
Ferner reichte der Beigeladene zu 1) Rechnungen nebst Anlagen, eine Modulbeschreibung sowie eine Prüfungsliste ein.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 12.02.2021 stellte die Beklagte fest, dass in dem Auftragsverhältnis des Beigeladenen zu 1) als Lehrbeauftragter bei der Klägerin seit dem 01.03.2017 Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie eine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung bestehe.
Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien:
- Der vermittelte Unterrichtsstoff sei prüfungsrelevant.
- Der Auftragnehmer habe für den vermittelten Unterrichtsstoff eine Abschlussklausur zu erstellen und die Klausur zu beaufsichtigen.
- Neben der Erteilung von Unterricht nehme der Auftragnehmer...