Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. besonderer Vertreter. Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse. Vertretung vor einem Bundesgericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der besondere Vertreter nach § 72 SGG hat einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse aus § 45 Abs 3 RVG .

2. Erfolgt die Vertretung auch vor einem Gericht des Bundes, kann der besondere Vertreter hierfür keine Vergütung gegen die Bundeskasse geltend machen, wenn seine Beiordnung allein durch ein Gericht des Landes erfolgt ist.

 

Gründe

I.

Die Erinnerungsführerin wurde mit Beschluss des SG Konstanz vom 16.9.2019 dem Kläger im Verfahren S 9 VG 1103/18 als besondere Vertreterin beigeordnet. In der Sache wurde die Klage des Klägers mit Gerichtsbescheid vom 17.8.2020 abgewiesen. Die von der Erinnerungsführerin im Namen des Klägers eingelegte Berufung wurde mit Urteil vom 14.1.2021 (Az. L 9 VG 2874/20) zurückgewiesen. Sodann erhob die Erinnerungsführerin für den Kläger eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG (Az. B 9 V 8/21 B). Diese wurde mit Beschluss vom 22.9.2021 als unzulässig verworfen. Gleichzeitig wurde mit diesem Beschluss auch der vom Kläger selbst gestellte Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Mit Schreiben vom 8.11.2021 beantragte die Erinnerungsführerin die Festsetzung ihrer Vergütung für das Verfahren vor dem BSG in Höhe von 1.035,30 Euro. Mit Schreiben vom 27.1.2022 wurden die Kosten wie beantragt durch die zuständige Kostenbeamtin festgesetzt. Der Erinnerungsgegner teilte daraufhin mit Schreiben vom 10.2.2022 mit, dass die im Wege des Beschlusses des SG Konstanz vom 16.9.2019 getroffene Regelung im Hinblick auf eine Kostenerstattung zu Lasten der Staatskasse für ihn nicht bindend sei, auch wenn die Vertreterbestellung fortwirke. Die Erinnerungsführerin hätte zunächst beim Erinnerungsgegner Prozesskostenhilfe beantragen müssen. Ein entsprechender Antrag sei jedoch von ihr nicht gestellt worden. Der Antrag des Klägers selbst sei aufgrund dessen Prozessunfähigkeit unwirksam und daher abzulehnen gewesen.

Auf die Anhörung zur beabsichtigten Aufhebung der PKH-Festsetzung äußerte sich die Erinnerungsführerin inhaltlich nicht. Mit Beschluss der Amtsinspektorin vom 6.4.2022 wurde die PKH-Festsetzung vom 27.1.2022 für das Verfahren vor dem BSG aufgehoben.

Mit Schreiben vom 25.4.2022 hat die Erinnerungsführerin Erinnerung gegen den Beschluss vom 6.4.2022 eingelegt. Der Prozesskostenhilfeantrag sei vom Kläger selbst trotz Prozessunfähigkeit wirksam gestellt und von ihr genehmigt worden. Daher habe eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgen können und müssen. Sie beantragt sinngemäß, den Beschluss vom 6.4.2022 aufzuheben.

Der Erinnerungsgegner hält den Beschluss vom 6.4.2022 für rechtmäßig und verweist auf seine Ausführungen im Schreiben vom 10.2.2022.

II.

Die am 25.4.2022 eingelegte Erinnerung gegen den Beschluss der Amtsinspektorin vom 6.4.2022, mit dem die Festsetzung der Vergütung der Erinnerungsführerin im Rahmen der Kostenerstattung als besondere Vertreterin für das Verfahren vor dem BSG mit dem Aktenzeichen B 9 V 8/21 (B 9 V 6/21 C - PKH) aufgehoben wurde, ist - nachdem ihr die Amtsinspektorin nicht abgeholfen hat - nach §§ 55, 56 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zulässig, aber unbegründet. Der Beschluss der Amtsinspektorin vom 6.4.2022 ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Erinnerungsführerin kann als besondere Vertreterin keinen Anspruch auf Vergütung gegen die Bundeskasse für das Verfahren B 9 V 8/21 B geltend machen. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 45 RVG (a) noch kommen andere Anspruchsgrundlagen für einen Vergütungsanspruch gegen die Bundeskasse in Betracht (b).

a) Gem. § 45 Abs. 1 RVG i.d.F. vom 1.12.2021 erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete oder nach § 57 oder § 58 der Zivilprozessordnung (ZPO) zum Prozesspfleger bestellte Rechtsanwalt, soweit im 8. Abschnitt des RVG nichts anderes bestimmt ist, die gesetzliche Vergütung in Verfahren vor Gerichten des Bundes aus der Bundeskassen, in Verfahren vor Gerichten eines Landes aus der Landeskasse.

§ 45 Abs. 1 RVG sieht entsprechend seinem Wortlaut keine Kostenerstattung zulasten der Staatskasse wegen der Bestellung als besondere Vertreterin gem. § 72 SGG vor (vgl. so auch BSG, Beschluss vom 8.9.1982 - 5b BJ 170/82, SozR 1500 § 72 Nr. 2; Schnitzer in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl., § 72 SGG, Stand: 28.11.2023, Rn. 27; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt SGG, 14. Aufl. 2023, SGG § 72 Rn. 6; Arndt in: Fichte/Jüttner, SGG, § 72 [Möglichkeit der Bestellung eines besonderen Vertreters], Rn. 21).

Für die Verfahren vor den Gerichten des Landes bestand jedoch ein solcher Vergütungsanspruch in der Sache zutreffend unter Berücksichtigung von § 45 Abs. 3 RVG. Gem. § 45 Abs. 3 Satz 1 RVG erhält der Rechtsanwalt, der sonst gerichtlich bestellt oder beigeordnet wurde, die Vergütung aus der Landeskasse, wenn ein Gericht des Landes ihn bestellt oder beigeordnet hat, im Übrigen aus der Bundeskasse. § 45 Abs. 3 RVG regelt damit im Untersch...

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