Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. Kostenübernahme von Überschneidungskosten für Miete nach Umzug ins Pflegeheim. Räumungskosten

 

Orientierungssatz

1. Überschneidungskosten, die wegen Beendigung eines Mietverhältnisses über eine Wohnung nach vorzeitig notwendig gewordenem Umzug in eine stationäre Einrichtung entstanden sind, sind Teile des Anspruchs auf Unterkunftskosten nach § 29 Abs 1 S 1 SGB 12 aF oder auf Wohnungsbeschaffungskosten gem § 29 Abs 1 S 7 SGB 12 aF. Voraussetzung ist dabei, dass der Auszug aus der bisherigen Wohnung notwendig war (vgl LSG Stuttgart vom 22.12.2010 - L 2 SO 2078/10 = Sozialrecht aktuell 2011, 115).

2. Kosten der Unterkunft iS des § 29 Abs 1 S 1 SGB 12 aF sind nicht nur laufende Kosten, sondern auch einmalige Aufwendungen, die mit Bezug, Unterhaltung und Wechsel der Unterkunft zusammen hängen. Hierzu gehören auch die Räumungskosten (vgl LSG Celle-Bremen vom 16.7.2007 - L 13 SO 26/07 ER).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.11.2012; Aktenzeichen B 8 SO 25/11 R)

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Räumungskosten für die Wohnung in E. in Höhe von 486,71 € zu gewähren.

Der Bescheid des Landratsamts K. vom 18. März 2010 und dessen Widerspruchsbescheid vom 8. September 2010 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verurteilung entgegenstehen.

Der Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt (noch) die Übernahme der Kosten für die Räumung ihrer bisherigen Wohnung nach ihrem Umzug ins Pflegeheim in Höhe von 486,71 €.

Die 1920 in B. (Kreis J. Land) geborene Klägerin wohnte seit 1. August 1987 in einer von der Stadt E. angemieteten Wohnung in E. Seit 2003 bezieht sie Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Am 16. Dezember 2009 wurde die Klägerin ins Krankenhaus E. eingeliefert und schließlich wegen Verwirrtheitszuständen und Desorientiertheit ins Zentrum für Psychiatrie R. verlegt. Seit 27. Januar 2010 ist die Klägerin im Pflegehaus K. in S. untergebracht und erhält dafür vom Beklagten Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches.

Bereits am 22. Januar 2010 teilte die Betreuerin dem Beklagten mit, dass die Klägerin nicht mehr in ihre Wohnung zurückkehren könne. Mit Schreiben vom 10. März 2010 (Verwaltungsakten Bl. 617) beantragte die Klägerin die Übernahme der Aufwendungen zur vertragsgemäßen Rückgabe der Wohnung an den Vermieter in Form von Kosten der Räumung und der notwendigen Auszugsrenovierung.

Mit Bescheid vom 18. März 2010 (Verwaltungsakten Bl. 619/620) stellte der Beklagte die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung mit Wirkung zum 1. Februar 2010 ein und lehnte die Übernahme von Kosten für die Auszugsrenovierung ab. Den hiergegen am 12. April 2010 eingelegten Widerspruch (Verwaltungsakten Bl. 643), zu dem ein Kostenvoranschlag über Renovierungskosten in Höhe von 1.071 € nachgereicht wurde (Verwaltungsakten Bl. 671), wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2010 (Verwaltungsakten Bl. 705/709) zurück und führte dabei u. a. aus, es bestehe kein Bedarf der Klägerin, weil die formularmäßig vereinbarte mietvertragliche Verpflichtung zur vollständigen Auszugsrenovierung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unwirksam sei.

Zur Begründung der am 7. Oktober 2010 beim Sozialgericht Konstanz erhobenen Klage wird geltend gemacht, es ginge nicht nur um die Renovierungskosten, sondern auch um die Kosten der Räumung der Wohnung und den anfallenden Mietzins bis zu diesem Zeitpunkt. Der Beklagte verweise zwar richtigerweise darauf, dass Renovierungskosten aufgrund einer gegebenenfalls unwirksamen Klausel nicht übernommen werden müssten. Allerdings seien die Kosten im Zusammenhang mit dem Wechsel der Wohnung zu übernehmen, wozu auch einmalige Aufwendungen gehörten. Zwischen 25. und 29. Oktober 2010 sei die Wohnung auf Veranlassung der Stadt E. geräumt worden, wofür Kosten in Höhe von 486,71 € angefallen seien. Es gehe lediglich noch um diesen Betrag.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich - zweckdienlich ausgelegt -,

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide die Kosten für die Räumung der Wohnung in E. in Höhe von 486,71 € zu gewähren.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen,

und macht geltend, der Unterkunftsbedarf der Klägerin sei bereits durch die Heimunterbringung gedeckt und Sinn der Mietschuldenübernahme sei nicht die Befreiung des Hilfesuchenden von Forderungen Dritter. Diese erfolge vielmehr ausschließlich zur Sicherung der Unterkunft.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 18. bzw. 21. Juli 2011 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Dem Gericht liegt die Grundsicherungsakte des Landratsamts K. vor, auf welche ebenso wie auf die Gerichtsakten wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen wird.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht ka...

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