Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. zwischenzeitliche Entlassung in häusliches Umfeld zwecks Belastungserprobung stellt keine stationäre Behandlung dar
Leitsatz (amtlich)
Für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche, die stationär in ein Krankenhaus aufgenommen worden sind, können bei zwischenzeitlicher "Entlassung" in ihr häusliches Umfeld zur Belastungserprobung am Wochenende keine als stationäre Behandlung nach der BPflV zu vergütende Krankenhausleistungen in Ansatz gebracht werden. Dies gilt auch dann, wenn die Belastungserprobung am Wochenende Bestandteil der (stationären) psychiatrischen Therapie ist.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. ... Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig sind die Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin macht eine (Rest-)Zahlung von 622,73 € zuzüglich Zinsen für die Behandlung von ... D., ..., geltend, die sie im Wege der Notfall-Aufnahme wegen akuter psychotischer Störung aufgenommen hatte. Die Patientin war bei ihr vom 14.05.2003 bis 24.06.2003 in stationärer Behandlung. Sie hörte seit 3 Monaten Stimmen, zudem bestand Suizidgefahr. Diagnostiziert wurde ein klinisch-psychiatrisches Syndrom, eine akute polymorphe psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie bei Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung. Ferner fanden sich Entwicklungsrückstände in Form eines psychosozialen ERST bei anomaler Elternsituation, eine niedrige Intelligenz, sowie eine Hörstörung mit beidseitigem Hochtonverlust.
Am 03.06.2003 sicherte die Beklagte die Kostenübernahme für die Krankenhausbehandlung zu.
Zwischenzeitlich befand sich die Patientin vom 07. bis 09.06.2003, 14. bis 15.06.2003 und 21. bis 22.06.2003 am Wochenende in ihrem häuslichen Umfeld zur Belastungserprobung. Die Beklagte verweigert hierfür die Kostenübernahme und hat die Kosten für die Belastungserprobung bei “Entlassung am Wochenende„ in Abzug gebracht.
Die Klägerin macht nunmehr im Klagewege die Differenz zwischen Endabrechnung und tatsächlicher Zahlung geltend. Die Höhe der Verzugszinsen in Höhe von 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank beruht auf einer Entgeltvereinbarung der Beteiligten.
Sie macht im Wesentlichen geltend: Die Verweigerung der Kostenübernahme während der Belastungserprobungen stelle einen Eingriff in die ärztliche Behandlung dar. Belastungserprobungen stellten ein Behandlungselement dar, das mit einer Kombination aus Psycho- und Soziotherapie arbeite. Der Schritt von einer vollstationären Unterbringung in eine tagesklinische Behandlung sei noch zu groß. Erachte der behandelnde Krankenhausarzt diese Maßnahme für erforderlich, gelte der “Beweis des ersten Anscheins„. Eine Kostenverweigerung durch die Krankenkasse sei nur dann gerechtfertigt, wenn aus einer “ex-ante-Sicht„ dessen Entscheidung unvertretbar sei. Im Übrigen könne dessen Entscheidung nur durch eine unverzügliche Begutachtung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) widerlegt werden, an der es hier fehle. Belastungserprobungen bildeten den Teil einer einheitlichen stationären Krankenhausbehandlung, zumal die Patienten nicht aus dem Krankenhausbetrieb ausgegliedert würden. Sie seien wesentliches Therapieinstrument und kein “Urlaub„. Währenddessen würden den Patienten auch Aufgaben im Rahmen ihres Therapiekonzeptes gestellt. Zum Belastungsaufbau sei es bei psychiatrischen Patienten notwendig, sie Belastungssituationen auszusetzen. Diese machten aber nur außerhalb des Klinikgebäudes und dessen therapeutischer Atmosphäre Sinn.
Belastungserprobungen hätten damit keine Unterbrechung der stationären Aufnahme zur Folge, sondern seien ein wichtiges Instrument der psychiatrischen Therapie, sie stellten ein wichtiges “Feedback„ bei der Behandlung dar. Es handele sich um ein überrealistisches Planspiel zur Umsetzung und Kontrolle von Behandlungserfolgen, weil ein Einsatz in einer realen Umgebung unter realistischen Bedingungen erfolge. Durch Rückführung in das vertraute familiäre und soziale Umfeld, in Form einer langsamen Wiedereingliederung in das häusliche Milieu, werde dieses in die Therapie mit einbezogen; den Patienten sei aufgegeben, das Gelernte in die Praxis umzusetzen, in dem sie schrittweise in ihr normales Lebensumfeld integriert würden. Die Notwendigkeit gegenseitiger Kontaktaufnahme bestehe insbesondere am Wochenende, da die Familie dann zusammen sei und die notwendige Zeit füreinander erübrigen könne.
Sie halte - auch am Wochenende - ihr “Sicherheitsnetz„ in Form von Klinikpersonal in ständiger Bereitschaft. Die Jugendlichen könnten mit gleicher Intensität auch am Wochenende durch sie betreut werden. Die Pflegekraft führe vor der “Entlassung am Wochenende„ Gespräche über die Ziele der Maßnahme, erforderlichenfalls würde ein Arzt hinzugezogen. Nach Rückkehr am Wochenende würden Gruppen- und Einzelgespräche geführt, wobei die Ziele überprüft würden. Die “Beurlaubungen„ seien keine Pause im Behandlungsverlauf, da dem Patienten jed...