Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto. Beitragsfiktion. deutsch-amerikanisches Abkommensrecht. Antragsgleichstellung. Rentenbeginn. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für diejenigen Berechtigten nach dem ZRBG, die das 65. Lebensjahr vor dem 31.12.1991 vollendet haben und nur fiktive Beitragszeiten nach dem ZRBG zurückgelegt haben, ist kein Anspruch auf Altersruhegeld gem § 1248 Abs 5 RVO entstanden, da die allgemeine Wartezeit erst mit dem rückwirkenden Inkrafttreten des ZRBG zum 1.7.1997 erfüllt ist. Die Beitragsfiktion des § 2 ZRBG führt nicht über ihren konkreten Anwendungsbereich hinaus dazu, dass die allgemeine Wartezeit als mit Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllt gilt. Die Fiktion der Erfüllung der Wartezeit mit Vollendung des 65. Lebensjahres nach § 3 Abs 2 ZRBG findet ihrem Wortlaut entsprechend nur für die Ermittlung des Zugangsfaktors Anwendung.

2. Art 7 Abs 1 SozSichAbkDVbg USA als Voraussetzung für eine Antraggleichstellung gilt auch für Berechtigte nach dem ZRBG. Erfüllt ein vor dem 30.6.2003 in den USA gestellter Antrag die Voraussetzungen für eine Gleichstellung auch auf Leistungen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht, weil keine deutschen Versicherungszeiten angegeben worden sind, kann diese Gleichstellung nicht durch die im ZRBG geregelten Fiktion gem § 2 Abs 1 ZRBG über die Zurücklegung fiktiver Beitragszeiten und damit ein früherer Beginn der Rente nach dem ZRBG ab dem 1.7.1997 erreicht werden. Nur wenn bis zum 30.6.2003 tatsächlich ein Antrag auf Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gestellt wurde, greift die Fiktion eines am 18.6.1997 gestellten Antrages gem § 3 Abs 1 S 1 ZRBG.

3. In diesen Fällen kann ein Beginn der Rente nach ZRBG zum 1.7.1997 für Berechtigte aus den USA auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches erreicht werden. Ein der Beklagten zumindest im Sinne einer wesentlichen Mitursache zuzurechnender Aufklärungsmangel des amerikanischen Sozialversicherungsträgers liegt nicht vor. Die LVA Freie und Hansestadt Hamburg als Rechtsvorgängerin der Beklagten hat den amerikanischen Sozialversicherungsträger rechtzeitig, umfassend und zutreffend über das ZRBG informiert.

 

Nachgehend

BSG (Vergleich vom 04.12.2014; Aktenzeichen B 5 R 14/13 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind dem Kläger nicht zu erstatten.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger anstelle der ihm ab dem 1.2.2010 gewährten Regelaltersrente ein Anspruch auf Altersruhegeld mit Vollendung des 65. Lebensjahres ab dem 1.12.1989 zusteht oder ob ihm hilfsweise die Regelaltersrente bereits ab dem 1.7.1997 zu gewähren ist.

Der am 24.11.1924 in ... in der Ukraine geborene Kläger ist jüdischer Abstammung und als Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt. Er hielt sich in der Zeit vom 1.4.1944 bis zum 31.5.1944 zwangsweise in dem Ghetto Munkacs in Ungarn auf, wo er eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt ausübte. Nach Kriegsende hielt sich der Kläger von Mai 1945 bis April 1946 im Displaced-Person-Lager in ... auf und wanderte im Anschluss zunächst nach Israel aus. Seit 1957 lebt er in den USA und besitzt die dortige Staatsangehörigkeit.

Am 15.2.1988 beantragte der Kläger bei der US-amerikanischen Rentenversicherung, der Social Security Administration (SSA), eine Altersrente und bezieht seit 1989 Leistungen von dort.

Der Kläger beantragte am 25.8.2008 beim Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen aufgrund seines Verfolgungsschicksals im Ghetto Munkacs in Ungarn eine Anerkennungsleistung nach der Richtlinie der Bundesregierung über eine Anerkennungsleistung an Verfolgte für Arbeit in einem Ghetto, die keine Zwangsarbeit war. Diese wurde ihm am 25.1.2009 bewilligt.

Am 18.2.2010 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, welche den Antrag an die Beklagten weiterleitete, Versichertenrente unter Hinweis auf die Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.6.2002 (BGBl I 2074) und Verfolgungsersatzzeiten.

Mit Bescheid vom 11.11.2010 bewilligte die Beklagte Regelaltersrente in Höhe von monatlich 321,25 Euro ab 1. Februar 2010 unter Berücksichtigung im Ghetto Munkacs zurückgelegter Ghetto-Beitragszeiten vom 1.4.1944 bis 31.5.1944, einer Ersatzzeit vom 23.3.1944 bis 31.3.1944 sowie weiteren Verfolgungsersatzzeiten vom 1.6.1944 bis zum 31.12.1949 bei einem Zugangsfaktor von 2,210 (Erhöhung des Zugangsfaktors von 1,0 um 1,210 EP für 242 Kalendermonate, in denen die Regelaltersrente trotz erfüllter Wartezeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht in Anspruch genommen wurde, § 77 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI).

Hiergegen legte der Kläger am 8.12.2010 zunächst ohne Begründung Widerspruch ein. Im Folgenden wies der Kläger darauf hin, dass ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge