Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes für ein Klageverfahren nach den Bestimmungen des SGB 12. Höhe der fiktiven Terminsgebühr bei Erledigung durch Anerkenntnis
Orientierungssatz
1. Bei der Tenorierung im Kostenfestsetzungsbeschluss ist der vor der Festsetzung ausgezahlte Betrag zu berücksichtigen.
2. Für jede Rahmengebühr ist eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Verfahrens- und Terminsgebühr als auch für die der Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr.
3. Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum stellt die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren dar. Davon ausgehend sind Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden.
4. Zur Anwendung der Grundsätze des § 14 RVG auf die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 - Ziffer 1 bis Ziffer 3 - Vergütungsverzeichnis RVG [juris: RVG-VV] ist bei der Bemessung der fiktiven Terminsgebühr auf den hypothetischen Aufwand abzustellen, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Es ist deshalb eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen, in welcher Höhe ein Gebührenanspruch voraussichtlich entstanden wäre, wenn ein Termin stattgefunden hätte.
5. Bei Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis besteht die Besonderheit, dass ein Anerkenntnis vorliegt, das im (hypothetischen) Termin lediglich noch der Annahme bedurft hätte. Ein solcher Termin wäre mit keinem besonderen Aufwand verbunden gewesen. Der anwaltliche Aufwand ist insoweit deshalb als unterdurchschnittlich zu bewerten.
Tenor
Die Verfahren mit den Aktenzeichen S 12 SF 253/09 E und S 12 SF 11/10 E werden miteinander verbunden; führend bleibt das Verfahren mit dem Aktenzeichen S 12 SF 253/09 E.
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers und Beklagten vom 21. Dezember 2009 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 11. Dezember 2009 - S 32 SO 64/08 - geändert. Die von dem Erinnerungsführer und Beklagten an den Erinnerungsgegner und Kläger (noch) zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits werden endgültig auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 282,03 € nebst Zinsen in Höhe von jährlich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Juli 2009 festgesetzt.
Im Übrigen wird die Erinnerung des Erinnerungsführers und Beklagten zurückgewiesen.
Die Erinnerung des Erinnerungsgegners und Klägers vom 18. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Erinnerungsverfahren noch um die Höhe der dem Erinnerungsgegner und Kläger (im Folgenden nur: Erinnerungsgegner) durch den Erinnerungsführer und Beklagten (im Folgenden nur: Erinnerungsführer) zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten eines Widerspruchs- und eines Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Lüneburg. In diesem Verfahren stritten die dortigen Beteiligten um die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren für die Vertretung des Erinnerungsgegners in einem Widerspruchsverfahren, das die Aufhebung und Rückforderung (angeblich) überzahlter Sozialleistungen nach den Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) zum Gegenstand hatte. Das sozialgerichtliche Verfahren hinsichtlich der Streitfrage der Erstattungsfähigkeit der für die Vertretung im vorgenannten Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen des Erinnerungsgegners erledigte sich - ohne Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung oder eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage - durch die Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen, nachdem der Erinnerungsführer den angegriffenen Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erklärt hatte. Im Streit der vorliegenden Erinnerungsverfahren steht nach dem Vorbringen der Beteiligten die Höhe der Geschäftsgebühr für die Vertretung im Widerspruchsverfahren sowie die Höhe der Verfahrens- und der (fiktiven) Terminsgebühr für die Vertretung im sozialgerichtlichen Verfahren.
II.
Die Erinnerung des Erinnerungsgegners hat teilweise Erfolg, die Erinnerung des Erinnerungsführers bleibt insgesamt erfolglos.
1. Die Kammer hat in Anwendung des § 113 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Erinnerungsverfahren zu ...