Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunftskosten für das von nur einem Ehegatten selbst genutzte Hausgrundstück. Schuldzinsen als Unterkunftskosten. Beteiligung des getrennt lebenden Ehegatten als Miteigentümer an der Finanzierung. Herausrechnung anteiliger Schuldzinsen für vermietete Einliegerwohnung. Absetzung der Schuldzinsen von den Mieteinnahmen. Angemessenheitsmaßstab
Leitsatz (amtlich)
1. Sind beide getrennt lebende Ehepartner im Grundbuch als jeweils hälftiger Miteigentümer eingetragen und haften gesamtschuldnerisch für das Darlehen, so sind die gesamten Schuldzinsen als Kosten der Unterkunft des im Eigenheim verbliebenen bedürftigen Ehepartners nur dann anzuerkennen, wenn es ihm nicht zumutbar ist, den anderen Ehepartner gerichtlich dazu zu zwingen, sich an den Hausbelastungen zu beteiligen (§ 2 Abs 1 S 1 SGB 2). Die Unzumutbarkeit kann sich aus der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des anderen Ehepartners ergeben.
2. Ist in dem Eigenheim noch eine vermietete Einliegerwohnung vorhanden, so ist von den Schuldzinsen der Anteil für die Einliegerwohnung nach dem Verhältnis der Wohnflächen zueinander herauszurechnen. Von den Mieteinnahmen sind die auf die Einliegerwohnung entfallenden Schuldzinsen abzuziehen (§ 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB 2) und nur ein etwaig übersteigender Rest als Einkommen anzurechnen.
3. Die Vorschriften des § 22 SGB 2 einerseits und des § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 andererseits haben einen völlig anderen Regelungszusammenhang und sind für die Auslegung der jeweils anderen Vorschrift untauglich.
Orientierungssatz
Für die Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße und der Angemessenheit der Aufwendungen für das selbst genutzte Eigenheim ist auf die für Mietwohnungen geltenden Regelungen zurückzugreifen. Ein gesetzgeberischer Wille, bei Wohnungseigentümern höhere Kosten zu übernehmen als bei Mietern, ist dem SGB 2 nicht zu entnehmen.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei Unterliegen im Hauptsacheverfahren - längstens jedoch bis zur Bestandskraft des Bewilligungsbescheides vom 24.April2006 - verpflichtet, den Antragstellern für den Zeitraum vom 03.April2006 bis zum 30.September2006 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 1.085,54 € unter Berücksichtigung der bisher insoweit geleisteten Zahlungen zu gewähren.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung der Kosten für Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).
Die 1963 geborene Antragstellerin lebt zusammen mit ihrer 1989 geborenen Tochter G. - der Antragstellerin zu 2. - sowie ihrem schwerbehinderten 1993 geborenen Sohn H. - dem Antragsteller zu 3. - in einem selbst genutzten Eigenheim, das über eine Gesamtwohnfläche von 175 qm verfügt. Hierfür sind derzeit monatliche Schuldzinsen in Höhe von 1.250,60 €, Nebenkosten in Höhe von 184,98 € sowie Heizkosten in Höhe von 201,-- € monatlich fällig. Hinsichtlich dieses Hausgrundstückes ist die Antragstellerin zusammen mit ihrem geschiedenen Ehemann, Herrn I., als Miteigentümerin zu jeweils 1/2 im Grundbuch eingetragen. In den zur Finanzierung des Hausgrundstücks abgeschlossenen Darlehensverträgen vom 04. März 1999 (Kreditvertrag mit der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank, Az.: 16-849741-02-6, Kreditvolumen: 325.000,-- DM) und vom 08. Juni 1999 (Kreditvertrag mit der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank, Az.: 16-849741-03-4, Kreditvolumen: 95.000,-- DM) sind die geschiedenen Eheleute als Gesamtschuldner verpflichtet.
Der geschiedene Ehemann zahlt monatlichen Unterhalt für die Antragstellerin und die gemeinsamen Kinder in Höhe von insgesamt 871,-- €. An den monatlich für das gemeinsame Grundstück anfallenden Hausbelastungen beteiligt er sich demgegenüber nicht. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens verzichtete er ausweislich eines am 26. März 2002 vor dem Amtsgericht Lüneburg (Az.: 30 F 157/01 S) geschlossenen Vergleichs zeitlich befristet darauf, bezüglich des gemeinschaftlichen Grundbesitzes der Eheleute einen Antrag auf Teilungsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft zu stellen, wobei dieser Verzicht zeitlich befristet bis zum Ablauf des zur Kaufspreisfinanzierung des vorgenannten Grundstücks aufgenommen größeren Darlehens bis zum Jahre 2014 ist. Ferner ist er mit einer erheblichen fünfstelligen Summe verschuldet und versucht derzeit, sich außergerichtlich im Rahmen der Insolvenzordnung (InsO) mit seinen Gläubigern zu einigen.
Bereits im Jahre 2000 vermieteten die Eheleute J. die sich im Eigenheim befindliche Einliegerwohnung mit einer Wohnfläche von 56 qm zu einem Mietzins von 332,34 € zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 76,39 €, mithin zu einem Gesamtmietzins in Höhe von 408,73 €.
Die Antragstellerin bezieht seit Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II von der Antragsgegnerin. Mit Folgebescheid...