Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft. Verpflichtung des Grundsicherungsträgers zur Zusicherung der Übernahme der Kosten für die angemessene neue Unterkunft und der Mietkaution

 

Orientierungssatz

Ist das bei einer Wohngemeinschaft notwendige gegenseitige Vertrauensverhältnis, zB wegen Auseinandersetzungen über die gemeinschaftlich zu tragenden Nebenkosten, nachhaltig und dauerhaft gestört, so ist ein Wohnungswechsel erforderlich iS von § 22 Abs 2 SGB 2 und notwendig iS von § 22 Abs 3 SGB 2. Soweit die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind, sind daher sowohl die Unterkunftskosten als auch die Wohnungsbeschaffungskosten sowie Umzugskosten und Mietkaution zu übernehmen.

 

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.

Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges.

Voraussetzung für den Erlass der hier von der Antragstellerin begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, mit der sie die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsgrund (1) als auch einen Anordnungsanspruch (2) glaubhaft gemacht.

1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt eine solche dringliche Notlage voraus, dass eine sofortige Entscheidung notwendig ist (vgl. Armborst/Conradis in LPK-SGB XII, 1. Aufl. 2005, Anh. Verfahren Rn. 119). Diese Voraussetzungen sind von der Antragstellerin glaubhaft gemacht, da das neue Mietverhältnis zum 1. September 2005 beginnen soll und sie aus eigenen Mitteln weder die Mietkaution noch die laufende Miete aufbringen kann. Eine Anhörung der Antragsgegnerin kann wegen Eilbedürftigkeit nicht mehr erfolgen. Die Antragsgegnerin hat ihre Ansicht auch bereits im Schreiben vom 11. August 2005 dokumentiert.

2. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anspruch auf Leistungen für ihre Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe als auch auf darlehensweise Gewährung einer Mietkaution.

Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen solange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate.

Nach § 22 Abs. 2 SGB II soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

Hier ist die Antragsgegnerin nach dieser Vorschrift zur Zusicherung verpflichtet.

a. Als Grenze für die Angemessenheit der Unterkunftskosten orientiert sich das Gericht - ebenso wie das in der Vergangenheit für gleichgelagerte sozialhilferechtliche Streitigkeiten zuständige Verwaltungsgericht Lüneburg in ständiger Rechtsprechung - an der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG, die für einen 1-Personen-Haushalt in L (Mietstufe V) einen Höchstbetrag von 350 € zuzüglich Heizkosten vorsieht. Dieser Betrag wird nicht annähernd erreicht.

Auch die Heizkostenvorauszahlung von 55 € erscheint angesichts der erheblich gestiegenen Energiepreise nicht von vorneherein unangemessen; im übrigen hat es die Antragsgegnerin in der Hand, sich einen eventuellen Anspruch aus der Jahresabrechnung auf Rückzahlung abtreten zu lassen.

b. Der Umzug ist auch erforderlich im Sinne von § 22 Abs. 2 SGB II bzw. notwendig im Sinne von § 22 Abs. 3 SGB II. Maßstab hierfür ist, ob ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde (vgl. LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, § 12 Rn. 41).

Bei einer Wohngemeinschaft, in der Küche und Bad ebenso wie die entstehenden Nebenkosten ohne Messeinrichtung geteilt werden müssen, si...

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