Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltliches Gebührenrecht: Höhe einer fiktiven Terminsgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren nach Anerkenntnis durch die Gegenseite
Orientierungssatz
1. Bei der Bemessung einer fiktiven Terminsgebühr für einen aufgrund gütlicher Streitbeilegung entbehrlich gewordenen Verhandlungstermin ist auf den hypothetischen Aufwand abzustellen, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Dazu ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen (Fortführung SG Lüneburg, Beschluss vom 25.01.2007, Az.: S 15 SF 113/05).
2. Hätte im Verhandlungstermin nur die Annahme eines Anerkenntnisses erfolgen sollen, ist bei der Gebührenbemessung von einem weit unterdurchschnittlichen Aufwand und einer unterdurchschnittlichen Schwierigkeit auszugehen.
Tenor
Auf die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 02.Januar2008-S15SB176/06-werden die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits endgültig auf einen Betrag in Höhe von 473,44 € festgesetzt.
Dieser Betrag ist seit dem 21. November 2007 mit jährlich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin und Erinnerungsführerin (im Folgenden: Klägerin) von dem Beklagten und Erinnerungsgegner (im Folgenden: Beklagter) im Rahmen des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.
Im zugrunde liegenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg - S 15 SB 176/06 - begehrte die Klägerin im Wesentlichen die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft im Rahmen eines Verfahrens nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Nach Vorlage verschiedener durch die Kammer eingeholter Befundberichte gab der Beklagte nach etwa neunmonatiger Verfahrensdauer mit Schriftsatz vom 27. Juli 2007 ein umfassendes Anerkenntnis ab, in dem er sich verpflichtete, bei der Klägerin die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft ab April 2006 festzustellen und sich ferner bereit erklärte, die Kosten des Rechtsstreits in voller Höhe zu erstatten. Dieses Anerkenntnis nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 09. August 2007 zur Gesamterledigung des Rechtsstreits an.
Mit Schriftsatz vom 20. November 2007 hat die Klägerin die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in Höhe von insgesamt 592,44 € beantragt. Dabei machte sie folgende Positionen geltend:
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Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG |
250,00 € |
Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 (Ziffer 3) VV-RVG |
200,00 € |
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 € |
Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 VV-RVG |
27,85 € |
Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG |
94,59 € |
Gesamtbetrag |
592,44 € |
Mit Beschluss vom 02. Januar 2008 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die von dem Beklagten der Klägerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf einen Betrag in Höhe von insgesamt 378,24 € festgesetzt und dabei eine Verfahrensgebühr in Höhe von 250,00 € und eine Terminsgebühr in Höhe von 20,00 € - insoweit abweichend von dem Kostenfestsetzungsantrag - zugrunde gelegt.
Hiergegen hat die Klägerin am 04. Februar 2008 “Beschwerde„ erhoben und sich gegen die Festsetzung der (fiktiven) Terminsgebühr gewandt.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat nicht abgeholfen und den Antrag der Kammer zur endgültigen Entscheidung vorgelegt (Nichtabhilfebeschluss vom 07. Mai 2008).
II.
Die als Erinnerung gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszulegende “Beschwerde„ der Klägerin ist zulässig; sie ist auch teilweise begründet.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die hier einzig streitige Gebührenposition der Terminsgebühr zu Unrecht lediglich auf einen Betrag in Höhe der Mindestgebühr festgesetzt. Die Terminsgebühr ist in Höhe von 100,00 € festzusetzen; der darüber hinausgehende Antrag der Klägerin ist demgegenüber unbillig.
1. Die Höhe der nach Durchführung eines Sozialgerichtsverfahrens zu erstattenden Gebühr bestimmt sich grundsätzlich nach dem für die anwaltliche Tätigkeit im Verfahren vor den Sozialgerichten vorgesehenen Gebührenrahmen (§ 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)). Die Bestimmung der im Einzelfall angemessenen Gebühr ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG dem billigen Ermessen des Prozessbevollmächtigten überlassen, wobei nach dem Gesetzeswortlaut alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit und die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers z...