Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltliches Gebührenrecht: Höhe einer fiktiven Terminsgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren nach Anerkenntnis durch die Gegenseite
Orientierungssatz
1. Bei der Bemessung einer fiktiven Terminsgebühr für einen aufgrund gütlicher Streitbeilegung entbehrlich gewordenen Verhandlungstermin ist auf den hypothetischen Aufwand abzustellen, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Dazu ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen.
2. Hätte im Verhandlungstermin nur die Annahme eines Anerkenntnisses erfolgen sollen, ist bei der Gebührenbemessung von einem weit unterdurchschnittlichen Aufwand und einer unterdurchschnittlichen Schwierigkeit auszugehen.
Tenor
Auf die Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 14.November2007-S15SB156/06-werden die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits endgültig auf einen Betrag in Höhe von 536,87 € festgesetzt.
Dieser Betrag ist seit dem 24. August 2007 mit jährlich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger und Erinnerungsführer (im Folgenden: Kläger) von dem Beklagten und Erinnerungsgegner (im Folgenden: Beklagter) im Rahmen des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits. Dabei steht (lediglich noch) die Bemessung der fiktiven Terminsgebühr im Streit.
Im zugrunde liegenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg (Az.: S 15 SB 156/06) begehrte der Kläger im Wesentlichen die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft im Rahmen eines Verfahrens nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Nach Vorlage verschiedener durch die Kammer eingeholter Befundberichte und Einholung eines internistischen Sachverständigengutachtens gab der Beklagte mit Schriftsatz vom 27. Juni 2007 ein umfassendes Anerkenntnis ab, in dem er sich verpflichtete, bei dem Kläger die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft sowie des Merkzeichens “G„ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) ab April 2005 festzustellen und erklärte sich ferner bereit, die Kosten des Rechtsstreits in voller Höhe zu erstatten. Dieses Anerkenntnis nahm der Kläger zur Gesamterledigung des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 27. Juli 2007 an.
Mit Schriftsatz vom 20. August 2007 - eingegangen am 24. August 2007 - hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in Höhe von insgesamt 596,37 € beantragt, wobei er die hier noch allein streitige Terminsgebühr mit einem Betrag in Höhe von 150,00 € geltend machte.
Mit Beschluss vom 14. November 2007 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die von dem Beklagten dem Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf insgesamt einen Betrag in Höhe von 97,79 € festgesetzt und dabei u. a. eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 20,00 € sowie die bereits geleisteten Zahlungen zugrunde gelegt. Hinsichtlich der Terminsgebühr richte sich deren Höhe nach dem Aufwand, den der Prozessbevollmächtigte in einem fiktiven Termin entfaltet hätte. Dieser Umstand rechtfertige unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens - gerichtet auf die Schaffung eines Anreizes für den Rechtsanwalt, ein Anerkenntnis auch außerhalb einer mündlichen Verhandlung anzunehmen - nur die Zuerkennung der Mindestgebühr. Bei diesem Sachverhalt brauchte es keinen Anreiz für den Rechtsanwalt, ein Anerkenntnis außerhalb eines Gerichtstermins für die Mandantschaft anzunehmen.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 21. November 2007 lediglich mit Blick auf die Höhe der Terminsgebühr die Entscheidung des Gerichts beantragt. Die Kürzung der Terminsgebühr sei rechtswidrig, weil sie mit der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren sei. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, dass die Terminsgebühr im vollen Umfang auch ohne mündliche Verhandlung entstehe, was sich insbesondere auch aus den Motiven des Gesetzgebers entnehmen lasse. Ferner müsse eine Gleichbehandlung aller Gerichtszweige erreicht werden. Daher sei auch bei der Bemessung der fiktiven Terminsgebühr immer von der Mittelgebühr auszugehen.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat nicht abgeholfen (26. November 2007).
II.
Die gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Erinnerung ist begründet.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die hier einzig streitige Gebührenposition der Terminsgebühr zu Unrecht lediglich auf einen Betrag in Höhe der Mindestgebühr festgesetzt. Die Terminsgebühr ist in Höhe von 100,00 € festzusetzen; der darüber hinausgehende Antrag de...