Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Gerichtsverfahren. Rechtsschutzbedürfnis. dauerhaft im Ausland wohnender Behinderter. Territorialitätsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist nur dann gegeben, wenn der Rechtsschutzsuchende mit dem von ihm betriebenen gerichtlichen Verfahren ein legitimes Interesse verfolgt, wenn er einen angestrebten Erfolg nicht auf einfachere, schnellere oder billigere Art und Weise erreichen kann und wenn er nicht rechtsmissbräuchlich handelt. Das setzt regelmäßig voraus, dass dem Betroffenen im Fall des Prozesserfolges ein beachtlicher Vorteil gegenüber seiner bereits innegehabten Rechtsposition erwächst oder dass er eine bedrohte Rechtsposition verteidigen kann.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 2/06 R), der sich die Kammer anschließt, kann ein im Ausland wohnender Behinderter das Feststellungsverfahren nach § 69 SGB 9 und damit auch die gerichtliche Weiterverfolgung seines Begehrens nur zur Ermöglichung konkreter inländischer Rechtsvorteile in Anspruch nehmen. Geht es nur um den Nachweis einer Behinderung gegenüber ausländischen Stellen, kann der behinderte Mensch auf die Möglichkeit entsprechender Feststellungen durch die für seinen Wohnort im Ausland zuständigen Stellen verwiesen werden. Insoweit reicht auch eine abstrakte, also rein theoretische Möglichkeit der Inanspruchnahme rechtlicher Vorteile im Inland nicht aus. Vielmehr lässt sich eine Durchbrechung des Territorialitätsprinzips nur dann rechtfertigen, wenn dem behinderten Menschen trotz seines ausländischen Wohnsitzes aus der Feststellung seines GdB in Deutschland konkrete Vorteile erwachsen können.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger des vorliegenden Rechtsstreites begehrt die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 85 und die Verpflichtung des Beklagten, die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichen “aG„, “RF„, “B„ sowie “H„ festzustellen.

Bei dem im Mai 1936 geborenen, nicht mehr erwerbstätigen Kläger hatte das (damalige) Versorgungsamt D. mit Bescheid vom 12. April 1994 einen GdB von 60 ab dem 10. Dezember 1993 sowie - wie bisher - das Merkzeichen “G„ festgestellt. Grundlage dieser Entscheidung waren folgende dauernde Funktionsbeeinträchtigungen:

1. degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Hüftgelenke, Bandscheibenschaden,

2. Teilverlust des Magens,

3. Durchblutungsstörungen der Beine,

4. Kniegelenksveränderungen rechts,

5. Hörminderung beidseits.

Nach verschiedenen erfolglos durchgeführten Neufeststellungsverfahren beantragte der Kläger am 06. Januar 2005 bei dem (damaligen) Versorgungsamt E. die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung sowie die Zuerkennung der Merkzeichen “aG„, “H„, “RF„ und “B„ rückwirkend ab dem 01. Oktober 2004. In dem Antrag gab er an, die Rückenleiden, die Durchblutungsstörungen der Beine und des Beckenbereiches und die Arthrose im Schulterbereich hätten sich wesentlich verschlimmert. Hinzugetreten seien ein Bandscheibenvorfall und eine nächtliche Inkontinenz der Blase und eine gelegentliche Inkontinenz des Darmes.

Nach Einholung verschiedenen medizinischen Befundmaterials erteilte der Beklagte am 11. März 2005 einen Neufeststellungsbescheid. Hierin stellte er einen GdB in Höhe von 70 ab dem 01. Oktober 2004 sowie das Merkzeichen “G„ ab dem 10. Dezember 1993 fest (Bl. 256 VA) und lehnte die Zuerkennung der beantragten Merkzeichen “B„, “aG„, “H„ und “RF„ ab. Grundlage dieser Entscheidung war die Feststellung folgender dauernder Funktionsbeeinträchtigungen:

1. degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Hüftgelenke, Bandscheibenschaden (Einzel-GdB 40),

2. Teilverlust des Magens (Einzel-GdB 20),

3. Durchblutungsstörungen der Beine (Einzel-GdB 20),

4. Kniegelenksveränderungen rechts (Einzel-GdB 20).

Die Hörminderung beidseits bewerte der Beklagte mit einem sich nicht auf den Gesamt-GdB erhöhend auswirkenden Einzel-GdB von 10, Gleiches gilt für die mit einem Einzel-GdB von 0 bewertete Darminkontinenz. Zur Begründung berief sich der Beklagte im Wesentlichen auf die ärztliche Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes vom 24. Februar 2005 (Bl. 255 VA).

Gegen diese Entscheidung des Beklagten erhob der Kläger mit Schreiben vom 31. März 2005 am 06. April 2005 Widerspruch und wendet sich dabei gegen die Ablehnung der Zuerkennung des Merkzeichen “aG„ und “H„ (Bl. 261 VA).

Auf Veranlassung des Beklagten erstattete der Facharzt für Chirurgie Dr. med. F. am 12. Mai 2005 nach ambulanter Untersuchung des Klägers ein fachchirurgisches Gutachten. Dabei kam er im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass sich aufgrund der ambulanten Untersuchung bei dem Kläger weder das Merkzeichen “aG„ noch das Merkzeichen “H„ begründen lasse. Der Kläger könne eine Gehstrecke von 100 - 120 m am Stück zurücklegen. Er sei hierbei nicht körperlich erschöpft und benötige nicht dauernd fremde Hilfe, es komme lediglich zu Schme...

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