Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem ausländischen Mitarbeiter für ein Heizungsbauunternehmen
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist ein der deutschen Sprache kaum mächtiger rumänischer Staatsangehöriger ausschließlich für ein Heizungsbauunternehmen zu einem vereinbarten Stundenlohn von 10.- €. tätig, hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, ist er den Weisungen seines Auftraggebers hinsichtlich Zeit und Ort seiner Tätigkeit unterworfen und hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
3. Dem widerspricht nicht die Anmeldung eines Gewerbes sowie die Zahlung von Gewerbesteuer sowie ein fehlender Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und von bezahltem Urlaub.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Beiträgen in Höhe von 48.787,78 EUR für den Prüfzeitraum 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 umstritten.
Die Klägerin betreibt in N. eine Firma mit dem Gewerbezweck Heizung, Sanitär und Kundendienst (so der Briefkopf). Für den Prüfzeitraum 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 prüfte das Hauptzollamt Magdeburg, Abteilung Schwarzmarktkontrolle die Geschäftsunterlagen der Klägerin und stellte fest, dass sechs rumänische Staatsangehörige (O. A., P. C., I. D., S. G., A. B. und N. R.) bei der Klägerin abhängig beschäftigt seien. Das Hauptzollamt legte der Personen einen Fragebogen vor, der von den sechs Rumänen ausgefüllt und von einem Dolmetscherbüro übersetzt worden seien. Die Personen hätten laut Auskunft des Gewerbeamtes Magdeburg ein Gewerbe angemeldet und seien ausschließlich für die Klägerin tätig gewesen.
Herr A. gab an, er sei von 2012 bis 2014 im Trockenbau tätig gewesen. Er habe ein Gewerbe in Magdeburg angemeldet und zahle Gewerbesteuern. Er habe eigene Geschäftsräume, ließ die Frage nach der Adresse jedoch unbeantwortet. Eine regelmäßige Arbeitszeit, die einzuhalten gewesen wäre, sei nicht vereinbart gewesen. Er habe die Arbeitszeit frei gestalten können. Er habe den Arbeitsort nicht frei wählen können. Ihm seien Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Arbeit erteilt worden. Werbung sei ihm nicht erlaubt gewesen; die Arbeit sei nicht kontrolliert worden. Er sei in den betrieblichen Ablauf der Klägerin nicht eingegliedert gewesen. Er habe der Klägerin regelmäßig berichten und habe die Arbeit persönlich ausführen müssen. Eigene Hilfskräfte habe er nicht einsetzen dürfen. Die Einstellung von Vertretungen bzw. Hilfskräften sei nicht von der Zustimmung der Klägerin abhängig gewesen. Ihm seien Arbeitsmittel, z.B. kostspieliges Werkzeug, kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Er sei nicht verpflichtet gewesen, eigenes Kapital einzusetzen bzw. sonstige Sicherheiten zur Verfügung zu stellen. Er habe von der Klägerin keine Finanzierungshilfen erhalten. Er habe ein konkretes Kalkulationsangebot abgegeben. Die Frage nach dem eigenen unternehmerischen Risiko beantwortete Herr A. nicht. Er habe mehrere Auftraggeber gehabt (Angabe: "Herr S."). Auf die im Fragebogen konkretisierte Nachfrage, Herr A. möge Adressen von und aktuelle Verträge mit anderen Auftraggebern vorlegen, legte Herr A. nur 19 Rechnungen, ausgestellt für die Klägerin, jedoch keine anderen Verträge oder Rechnungen vor. Er erklärte hierzu, die Rechnungen der Firma S. befänden sich beim Steuerberater. In den 19 Rechnungen wurden für zwei Bauvorhaben der Klägerin (L. Straße, Magdeburg; ...straße, Magdeburg) Verputzarbeiten in Rechnung gestellt. Aus den Rechnungen ergibt sich ein Stundenlohn in Höhe von 10,- EUR. Weiter erklärte Herr A., er habe einen eigenen Kundenstamm gehabt und habe seine Preise frei gestalten können. Arbeitszeitnachweise habe er nicht führen müssen und sei nach Stunden- und Objektlohn bezahlt worden. Besondere Lohnbestandteile habe er nicht erhalten. Lohnsteuer sei nicht entrichtet worden, Einkommensteuer hingegen schon. Einen Anspruch auf Lohnfortzahlung habe er nicht gehabt; bei Erkrankung habe er keinen Ersatzmann stellen müssen; wegen Erkrankung unerledigte Aufträge habe er nicht zurückgegeben. Auf die Frage, bei wem er sich im Falle einer plötzlichen Verhinderung habe melden müssen, erklärte Herr A.: "Ich musste es dem Chef der Firma melden". Urlaubsanspruch habe er nicht gehabt. Er sei nicht bei der Rentenversicherung versichert und sei von der Rentenversicherung...