Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept. Festlegung des räumlichen Vergleichsbereichs. Nichtberücksichtigung der Homogenität und verkehrstechnischen Verbundenheit. Ausfall der Ermittlungsmöglichkeiten für das Gericht. Unzulässigkeit der rückwirkenden Anwendung des Konzepts. Anwendung der Wohngeldtabelle

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Vergleichsraumbildung des Jobcenters ist nicht schlüssig, wenn Wohnungsmarkttypen gebildet worden sind, zu deren Abgrenzung nur mietpreisbildende Faktoren herangezogen wurden und die Homogenität bzw die verkehrstechnische Verbundenheit unberücksichtigt geblieben sind.

2. Die Vergleichsraumbildung kann durch das Gericht nicht korrigiert werden, wenn hierfür im ländlichen Raum eine aufwändige Ermittlung der verkehrstechnischen Verbundenheit und Homogenität erforderlich ist und das Jobcenter hierzu im Vorfeld keinerlei Überlegungen angestellt hat.

3. Die rückwirkende Anwendung eines Konzeptes zur Ermittlung der Angemessenheit der Unterkunftskosten vor dem Zeitpunkt des Beginns der Datenerhebung ist ausgeschlossen.

 

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 12.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2010 wird abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, den Klägern jeweils für November 2010 205,05 EUR, für Dezember 2010 216 EUR, für Januar, Februar 2011 210,88 EUR, für März 2011 221,74 EUR und für April 2011 210,88 EUR an Kosten für Unterkunft und Heizung zu zahlen.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren für den Zeitraum von November 2010 bis April 2011 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung.

Die Kläger bewohnen eine 61,21 m² große Mietwohnung in E. Im streitgegenständlichen Zeitraum hatten sie hierfür eine Kaltmiete von 296,75 EUR, eine Betriebskostenvorauszahlung von 64 EUR und eine Heizkostenvorauszahlung von 61 EUR monatlich zu zahlen. Die Abfallgebühren sind durch die Kläger separat zu entrichten. Ausweislich der Abfallgebührenbescheide des S.-landkreises vom 13.01.2010 und vom 20.01.2011 waren im streitgegenständlichen Zeitraum im Dezember 2010 21,90 EUR und im März 2011 21,72 EUR an Abschlagszahlungen fällig. Die Kläger sind durch den Beklagten bereits im Jahr 2005 hinsichtlich der Angemessenheit ihrer Unterkunftskosten belehrt worden. So wurde beispielsweise im Änderungsbescheid vom 20.10.2005 ausgeführt, dass nach der Dienstanweisung des Landkreises A.-St. eine Grundmiete von 261 EUR und eine Nebenkostenvorauszahlung von monatlich 61,21 EUR angemessen seien. Mit Bescheid vom 20.04.2006 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass er von der Angemessenheit einer Grundmiete von maximal 240 EUR ausgehe. Mit Bescheid vom 24.08.2010 wurde die Belehrung dahingehend ergänzt, dass für die Grundmiete und die Betriebskosten 306 EUR (inklusive Abfallgebühren) angemessen seien und für die Kosten der Heizung 63 EUR. Der sich hieraus ergebene Gesamtbetrag von 369 EUR werde maximal noch bis zum 28.02.2011 übernommen. Anschließend würden nur noch die maximale Grundmiete, Betriebkosten i.H.v. 306 EUR und die tatsächlichen Heizkosten i.H.v. 49,36 EUR übernommen.

Für den streitgegenständlichen Zeitraum beantragten die Kläger am 01.10.2010 die Gewährung von Leistungen. Mit Bescheid vom 12.10.2010 bewilligte der Beklagte den Klägern von November 2010 bis Februar 2011 neben der Regelleistung monatliche Unterkunftskosten i.H.v. 369 EUR, wobei er eine Grundmiete von 240 EUR, Heizkosten i.H.v. 49,36 EUR und wohl i.S. einer erweiterten Produkttheorie Betriebskosten i.H.v. 79,64 EUR gewährte, um den maximalen Angemessenheitsbetrag von 369 EUR auszuschöpfen. Ab März 2011 bewilligte der Beklagte 355,36 EUR mit einer Kaltmiete von 240 EUR, eine Heizkostenvorauszahlung von 49,36 EUR und einer Nebenkostenvorauszahlung i.H.v. 66 EUR. Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 18.10.2010 Widerspruch. Sie lebten in einer Wohnung von 60 m², welche von der Größe her angemessen sei. Eine weitere Reduzierung der Unterkunftskosten würden sie finanziell nicht verkraften.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 als unbegründet zurück. Nach der höchstrichterlichen Rechtssprechung könnten die Kosten für Heizung und die Kosten für die Grundmiete und die Betriebskosten nicht miteinander ausgeglichen werden. Insoweit seien die Kosten auf 355,36 EUR ab März 2011 reduziert worden.

Dagegen haben die Kläger am 20.12.2010 Klage erhoben. Sie seien nicht in der Lage, die wiederum reduzierten Wohnkosten aus der Regelleistung zu bestreiten.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 12.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von November 2010 bis April 2011 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Reduzieru...

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