Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. private Rentenversicherung. keine analoge Anwendung des § 12 Abs 2 Nr 2 SGB 2. Zumutbarkeit der Verwertung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet nicht die entsprechende Anwendung des § 12 Abs 2 Nr 2 SGB 2 auf staatlich nicht geförderte, private Altersvorsorgeprodukte.
2. Staatlich geförderte und staatlich nicht geförderte Altersvorsorgeprodukte unterscheiden sich wegen ihrer differierenden Versorgungssicherheit. Darunter ist die Sicherheit zu verstehen, dass die Versicherungsleistung für die Altersvorsorge zur Verfügung steht und nicht zuvor für andere Zwecke, bspw Luxusaufwendungen oder Darlehensfinanzierungen, verwendet werden kann.
3. Die sozialrechtliche Behandlung kommt zum selben Ergebnis wie der zivilrechtliche Pfändungsschutz gem § 851 Abs 1 ZPO iVm §§ 97, 10a, 79ff EStG.
4. Lebensversicherungen genießen den Schutz des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2 erst, wenn der Verlust durch ihre Verwertung deutlich über 10 Prozent liegt und der Versicherungsfall unmittelbar bevorsteht, dem Versicherten im Hinblick auf Alter und Gesundheitszustand ein Neuabschluss nicht mehr möglich wäre oder sich aufgrund einer langjährig geführten Versicherungsbeziehung ein schutzwürdiges Vertrauen in eine zukünftige Altersvorsorge bilden durfte.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob eine private Rentenversicherung, die zur Altersvorsorge abgeschlossen wurde, als Vermögen im Sinne des § 12 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu berücksichtigen ist.
Die am ... 1953 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 24.1.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 24.2.2006 bewilligte die Beklagte die beantragten Leistungen, berücksichtigte bei der Berechnung aber Unterhaltszahlungen des Vaters der Klägerin in Höhe von 217,98 €.
Hiergegen legte die Klägerin am 16.3.2006 Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 11.4.2006 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Absicht an, die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zukunft aufzuheben. Die Klägerin verfüge über verwertbares Vermögen in Form einer privaten Rentenversicherung.
Die Klägerin hatte nach der Scheidung von ihrem ehemaligen Ehemann im Rahmen des durchgeführten Zugewinnausgleichs einen größeren Geldbetrag erhalten, den sie nahezu vollständig in Höhe eines Betrags von 65.999,18 € in eine private Rentenversicherung bei der A. Versicherung AG eingezahlt hatte.
Mit Bescheid vom 25.4.2006 hob die Beklagte den Bescheid vom 24.2.2006 für die Zeit ab dem 1.5.2006 auf. Die Klägerin habe aufgrund ihrer privaten Rentenversicherung nicht geschütztes Vermögen in Höhe von 41.531,28 Euro.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.5.2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung die Berechnung des Ausgangsbescheids zum Vermögen der Klägerin näher aus.
Dagegen hat die Klägerin am 19.6.2006 Klage vor dem Sozialgericht Mainz erhoben.
Sie behauptet, die Verwertung der Lebensversicherung sei nicht zumutbar. Der erzielbare Erlös beim Rückkauf der Versicherung führe gegenüber den eingezahlten Beiträgen zu einem Verlust von mehr als 10 Prozent. Sie meint zudem, es sei gleichheitswidrig, wenn sog. "Riester"-Rentenversicherungen geschützt würden, die private Rentenversicherung der Klägerin dagegen nicht. Letztendlich dienten beide Versicherungsformen der Altersvorsorge. Es würde eine erhebliche Lücke in der Altersvorsorge entstehen, wenn die Klägerin gezwungen sei, ihre Rentenversicherung zu liquidieren. Nur aufgrund der Erkenntnis, dass eine solche Vorsorgelücke existiert, habe sie nach der Scheidung die private Rentenversicherung in dieser Höhe mit Beiträgen aufgestockt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24.2.2006 in der Fassung des Bescheids vom 25.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.5.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 1.5.2006 bis zum 31.8.2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Rentenversicherung sei verwertbar. Ihre Liquidation sei nicht unzumutbar. Eine Auskunft bei der A. Versicherung AG habe ergeben, dass die Rentenversicherung am 1.3.2006 einen Netto-Rückkaufswert in Höhe von 40.047,19 € gehabt habe. Bei Kündigung der Versicherung erhalte die Klägerin zusätzlich den verbleibenden Restwert des eingerichteten Beitragsdepots in Höhe von 23.034,09 €. Der Verlust sei mithin geringer als 10 Prozent.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die angefochtenen Bescheide sind in der Gestalt, die sie durch den Änderungsbesc...