Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Schadensfeststellung im Bereich des sonstigen Schadens. vierjährige Verjährungsfrist. Hemmung. ermächtigter Krankenhausarzt. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 6 KA 7/18 R
Orientierungssatz
1. Schadensfeststellungen im Bereich des sogenannten sonstigen Schadens unterliegen einer vierjährigen Verjährungsfrist (vgl BSG vom 18.8.2010 - B 6 KA 14/09 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 25 und BSG vom 20.3.2013 - B 6 KA 17/12 R = SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 20 mwN).
2. Der Prüfantrag einer Krankenkasse hemmt den Ablauf der Ausschluss- bzw Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung der § 45 Abs 3 S 1 SGB 1 iVm § 204 Abs 1 Nr 12 BGB (vgl BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 46).
3. Die Feststellung eines sonstigen Schadens iS des § 48 BMV-Ä kommt auch im Fall eines ermächtigten Krankenhausarztes in Betracht.
4. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil wirkungslos.
Tenor
1. Der Widerspruchsbescheid vom 06.07.2015 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über die Widersprüche der Beigeladenen zu 1. und 2. erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Pflicht des Beklagten zur Feststellung eines Sonstigen Schadens gegenüber dem Beigeladenen zu 1. betreffend das Quartal 1/2008.
Der Beigeladene zu 1. ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin. Er war in der Vergangenheit bei der SHG beschäftigt. Aufgrund einer Ermächtigung nahm er im Zeitraum 01.01.1995 bis 31.12.2008 an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Am 10.12.2012 stellte die Klägerin bei der Gemeinsamen Prüfungseinrichtung für das Quartal 1/2008 einen Antrag auf Feststellung eines Sonstigen Schadens in Höhe von 942,76 €. Zur Begründung wurde angegeben, dass in diesem Quartal zu Lasten der Klägerin ausgestellte Verordnungen teilweise nicht vom Beigeladenen zu 1. unterschrieben worden seien, was einen Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung darstelle. In anderen Fällen seien Verordnungen zu Lasten der Klägerin ausgestellt worden, obwohl sich die Patienten zum Zeitpunkt der Ausstellung der Verordnung in stationärer Behandlung befunden hätten. Diese Leistungen seien bereits durch die Krankenhausvergütung abgegolten.
Mit Schreiben vom 15.01.2013 informierte die Prüfungsstelle den Beigeladenen zu 1. über den Antrag und teilte ihm mit, dass das Prüfverfahren bis zum Vorliegen einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) im Verfahren mit dem Az. B 6 KA 17/12 R zurückgestellt werde.
Das Schreiben vom 15.01.2013 wurde dem Beigeladenen zu 1., nachdem ein erster Zustellungsversuch gescheitert und im Anschluss eine Melderegisterauskunft eingeholt worden war, erst am 30.01.2013 zugestellt. Die Zustellung erfolgte ausweislich der Postzustellungsurkunde an den „erwachsenen Familienangehörigen“, Herrn ….
Mit Schreiben vom 02.04.2013 und vom 19.12.2013 wurde der Beigeladene zu 1. jeweils über den Verfahrensstand informiert.
Mit Prüfbescheid vom 22.09.2014 setze die Prüfungsstelle für das Quartal 1/2008 einen Sonstigen Schaden in Höhe von 924,09 € gegenüber dem Beigeladenen zu 1. fest. Hinsichtlich des Quartals 4/2007 wurde der Antrag wegen Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze zurückgewiesen. Es wurde ausgeführt, dass bei näher genannten Patienten eine Verordnung ohne Vorliegen eines Behandlungsscheines stattgefunden habe. Im Fall eines Patienten sei eine Verordnung während eines stationären Aufenthalts erfolgt.
Am 15.10.2014 legte der Beigeladene zu 1. Widerspruch gegen den Prüfbescheid ein. Er machte geltend, dass bei acht Patienten ein Notfall- oder Überweisungs- schein vorgelegen habe. Des Weiteren wies er darauf hin, dass bei zahlreichen Patienten eine Verordnung am Entlassungstag erfolgt sei. Dies erspare einen Arztbesuch am Entlassungstag und ermöglich eine Fortführung der stationären Therapie.
Ebenfalls am 15.10.2014 legte die Beigeladene zu 2. Widerspruch gegen den Prüfbescheid ein und erhob die Einrede der Verjährung. Sie machte geltend, dass für den verschuldensabhängigen Anspruch auf Feststellung eines Sonstigen Schadens eine vierjährige Verjährungsfrist gelte. Hinsichtlich des Quartals 1/2008 habe die Frist am 01.01.2009 begonnen und am 30.12.2012 geendet. Der Antrag der Klägerin sei zwar noch vor Ablauf der Frist gestellt worden, aber dem Beigeladenen zu 1. erst nach Ablauf der Frist zugestellt worden. Gemäß § 45 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 12 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 167 Zivilprozessordnung (ZPO) trete eine verjährungs- hemmende Wirkung mit Eingang des Antrages nur ein, wenn die Zustellung dem- nächst erfolge. Davon könne angesichts der erst mit Schreiben vom 15.01.2013 erfolgten Mitteilung nicht ausgegangen werden.
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