Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung: Bewilligungsfiktion bei verspäteter Entscheidung über einen Antrag auf Leistungsgewährung. Übernahme der Kosten einer Hautstraffungsoperation nach Gewichtsreduzierung

 

Orientierungssatz

1. Die Übernahme der Kosten einer Hautstraffungsoperationen kann Gegenstand einer Genehmigungsfiktion bei einer nicht rechtzeitigen Entscheidung über einen Antrag auf Leistungsgewährung im im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sein.

2. Wurde auf einen Antrag auf Übernahme der medizinischen Behandlungskosten durch eine gesetzliche Krankenversicherung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist entschieden, so kann auf Basis der dann eintretenden Genehmigungsfiktion nicht nur eine Erstattung von Kosten für die Behandlung geltend gemacht werden, sondern auch ein primärer Naturalleistungsanspruch.

3. Bei Eintritt einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund einer Genehmigungsfiktion kann die zur Rücknahme berechtigende Rechtswidrigkeit der eingetretenen Genehmigung nicht an den Voraussetzungen des Leistungsanspruchs selbst geprüft werden, sondern allein in Bezug auf die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion.

 

Tenor

Unter Aufhebung des Bescheids vom 12.09.2016 und des Änderungsbescheids vom 15.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2017 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin drei Straffungsoperationen (Abdominalplastik, Bruststraffung beidseits, Oberschenkelstraffung beidseits) unter vollstationären Bedingungen als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Straffungsoperationen nach einem Zustand nach Adipositas per magna und einem Gewichtsverlust von 57 kg.

Am 18.05.2016 übermittelte Dr. … (Plastische Chirurgie) der Beklagten ein Gutachten vom 17.05.2016, nach dessen Inhalt eine medizinisch indizierte Bauchdeckenplastik, eine medizinisch indizierte Bruststraffung und Oberschenkelstraffung jeweils beidseits für die Klägerin empfohlen wurde. Unter dem 20.06.2016 (Posteingang bei der Beklagten am 07.07.2016) beantragte die Klägerin förmlich den empfohlenen Eingriff bei der Beklagten.

Am 29.08.2016 beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser teilte im Gutachten vom 08.09.2016 mit, dass der Eingriff nicht empfohlen werden könne, da die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungen nicht erfüllt seien.

Unter Berufung auf die Ausführungen des MDK lehnte die Beklagte infolgedessen den Antrag mit Bescheid vom 12.09.2016 ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch vom 10.10.2016 wurde unter Hinweis auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Absatz 3a SGB V begründet.

Am 15.11.2016 erließ die Beklagte sodann einen Änderungsbescheid mit folgenden Tenor:

1.) Die durch die Fiktion eingetretene Bewilligung der Bodylift Operation an Brust, Bauch und Oberschenkel bsd. wir aufgehoben.

2.) Dem Widerspruch vom 10.10.2016 wird abgeholfen. Der Ablehnungsbescheid vom 12.09.2016 wird aufgehoben.

3.) Soweit bisher Kosten im Widerspruchsverfahren entstanden sind, werden diese erstattet.

4.) Im Übrigen wird die beantragte Bodylift Operation an Brust, Bauch und Oberschenkel bds. abgelehnt.

Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Genehmigungsfiktion zwar eingetreten sei, diese werde aber mangels Vorliegens der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf eine Bodylift-Operation wieder zurückgenommen.

Hiergegen erhob die Klägerin wiederum mit Hinweis auf die eingetretene Genehmigungsfiktion Widerspruch (Eingang bei der Beklagten am 17.11.2016).

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2017 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Da die gesetzlichen Voraussetzungen zur Bewilligung der von der Klägerin begehrten Leistung nicht vorliegen würden, habe der Antrag auf Straffungsoperationen abgelehnt werden müssen.

Hiergegen richtet sich vorliegende Klage vom 27.03.2017.

Die Klägerin beruft sich nach wie vor auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion und verweist insofern auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.09.2016 und des Änderungsbescheids vom 15.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.02.2017 zu verurteilen, ihr drei Straffungsoperationen (Abdominalplastik, Bruststraffung beidseits, Oberschenkelstraffung beidseits) unter vollstationären Bedingungen als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren und führt ergänzend aus, dass die Genehmigungsfiktion habe zurückgenommen werden müssen, da materiell-rechtlich kein Anspruch auf die Leistung bestehe.

Bezüglich des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat aufgru...

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