Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattungsstreit zwischen Krankenkasse und Berufsgenossenschaft. Ausschlussfrist nach § 111 S 2 SGB 10. Nichtauslösen des Fristbeginns durch Entscheidung einer erstattungspflichtigen Berufsgenossenschaft über die Erstattung erbrachter Zuzahlungen nach § 61 S 2 SGB 5
Orientierungssatz
Bei der Entscheidung einer erstattungspflichtigen Berufsgenossenschaft über die Erstattung der vom Versicherten an eine erstattungsberechtigte Krankenkasse im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung erbrachten Zuzahlungen (§ 61 S 2 SGB 5 iVm § 39 Abs 4 SGB 5) handelt es sich nicht um eine Fristbeginn auslösende Entscheidung eines erstattungspflichtigen Leistungsträgers iSd § 111 S 2 SGB 10.
Nachgehend
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, den von der Klägerin erstatteten Betrag wegen Heilbehandlungs- und Krankentransportkosten für H. P. sowie wegen Heilbehandlungskosten für H. M. in Höhe von insgesamt 34.991,93 € zurückzuerstatten.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Sprungrevision der Beklagten wird zugelassen.
4. Der Streitwert wird auf 124.287,81 € festgesetzt.
Tatbestand
Umstritten sind zuletzt noch Rückerstattungsansprüche der Klägerin im Falle des am 1. Dezember 2008 verstorbenen Versicherten M. (im Folgenden: M.) wegen Heilbehandlungskosten in Höhe von 24.456,56 € und im Falle des am 21. Februar 2011 verstorbenen Versicherten P. (im Folgenden: P.) wegen Heilbehandlungs- und Krankentransportkosten in Höhe von 10.535,37 €.
1. Die Beklagte erbrachte für M. unter anderem neun stationäre Behandlungen in einem Krankenhaus in der Zeit vom 29. April 2001 bis 5. März 2004 in Höhe von insgesamt 110.144,67 €. Hierfür hatte M. jeweils Zuzahlungen geleistet, die ihm in Höhe von 536 € von einer der Rechtsvorgängerinnen der Klägerin erstattet wurden (Bescheid vom 15. März 2007).
Diese hatte die Beklagte bereits mit Schreiben vom 12. Juli 2006 darüber informiert, dass sie, vorbehaltlich der Anerkennung der Leistungspflicht durch den Rentenausschuss, bei M. eine Berufskrankheit nach Nr. 4111 der - damals - Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkennen und eine Rente zahlen werde. Die Geltendmachung der Erstattungsforderung erfolgte mit einem bei einer der Rechtsvorgängerinnen der Klägerin am 27. Juli 2006 eingegangenen Schreiben.
2. Für P. erbrachte die Beklagte unter anderem stationäre Behandlungen in einem Krankenhaus vom 3. bis 17. Juni 2003, vom 1. bis 21. Juni 2007 und vom 20. Mai bis 5. Juni 2009 sowie einen Krankentransport am 1. Juni 2007. Hierfür wendete sie insgesamt 14.143,14 € auf. Sowohl für die stationären Behandlungen als auch für den Krankentransport hatte P. jeweils Zuzahlungen geleistet. Eine Erstattung dieser Eigenanteile erfolgte durch die Klägerin diesem oder (Sonder-)Rechtsnachfolgenden gegenüber nicht.
Nachdem die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 21. November 2011 darüber informiert hatte, dass sie, vorbehaltlich der Anerkennung der Leistungspflicht durch den Rentenausschuss, bei P. eine Berufskrankheit nach Nr. 4101 der Anlage 1 zur BKV anerkennen und eine Rente zahlen werde, machte die Beklagte mit einem bei der Klägerin am 2. Dezember 2011 eingegangenen Schreiben einen Erstattungsanspruch auch wegen dieser von ihr erbrachten Leistungen geltend.
3. Die Klägerin beziehungsweise eine ihrer Rechtsvorgängerinnen hatten die geltend gemachten Erstattungsbeträge im Falle von M. im April 2010 und hinsichtlich P. im März 2012 beglichen und forderten in der Folgezeit mit der Begründung die Rückerstattung, dass nach dem grundlegenden Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. März 2010 (Az. B 2 U 4/09 R, juris) die Entscheidung einer Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung über den Versicherungsfall keine Entscheidung über eine einzelne Leistung im Sinne des § 111 Satz 2 SGB X darstelle. Daher sei die Erstattungsfähigkeit der von der Beklagten erbrachten Einzelleistungen an der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X von zwölf Monaten zu messen. Die von ihr beziehungsweise einer ihrer Rechtsvorgängerinnen erstatteten Beträge, deren Rückerstattung nun verlangt werde, seien sämtlich geleistet worden, obwohl die Erstattungsansprüche außerhalb dieser Zwölf-Monats-Frist geltend gemacht worden seien.
Die Beklagte verweigerte die Rückerstattung mit der Begründung, die angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts stütze das Begehren der Klägerin nicht, da es sich um zuzahlungspflichtige Krankenversicherungsleistungen gehandelt habe. In diesen Fällen laufe die Frist gemäß § 111 Satz 2 SGB X erst nach ihrer Kenntnis von der Entscheidung der Klägerin über die Erstattung einer geleisteten Zuzahlung.
4. Die Klägerin hat am 10. April 2014 Klagen erhoben (Az. S 3 KR 1132/14 und S 3 KR 1133/14). Die Rechtsstreitigkeiten wurden im Termin zur mündlichen Verhandlung am 7. Oktober 2014 unter dem Aktenzeichen S 3 KR 1132/14 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
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