Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Regelleistungsvolumen. Bewertungsausschuss. Delegation der Steuerungsmaßnahmen für die sogenannten Vorwegleistungen auf Vertragspartner des Honorarvertrags. Steuerungsmaßnahme der KÄV Hessen im Honorarverteilungsvertrag für Vorwegleistungen ist rechtmäßig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Bewertungsausschuss konnte die Steuerungsmaßnahmen für die sog Vorwegleistungen ab dem Quartal III/09 (bis II/10) an die Vertragspartner des Honorarvertrags delegieren.

2. Die im Honorarverteilungsvertrag der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gewählte Steuerungsmaßnahme für die sog Vorwegleistungen (sog Anpassungsindex 100 oder Sicherstellungsindex 100 bzw Sicherstellungsindex 90) ist in Bezug auf die Einbeziehung von Laborärzten nicht zu beanstanden.

 

Orientierungssatz

Aktenzeichen beim LSG Darmstadt: L 4 KA 27/12

 

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Honorarbescheide für die drei Quartale III/09 bis I/10.

Die Klägerin ist ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in der Rechtsform einer GmbH. Es besteht seit 01.01.2006. Im MVZ sind zunächst sechs, seit dem Quartal III/08 sieben, seit dem Quartal IV/08 acht und seit dem Quartal III/09 wieder sieben Ärzte tätig, alles Fachärzte für Laboratoriumsmedizin mit Ausnahme eines, von Anfang an angestellten und an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes (Herr Dr. D.). Von den Fachärzten für Laboratoriumsmedizin war Herr Dr. E. lediglich vom 01.01.2006 bis 04.06.2009 und sind Frau Dr. F. erst seit dem 01.07.2008 und Frau Dr. G. seit dem 01.10.2008 angestellt. Die Übrigen (Herr Dr. A., Herr Dr. H., Frau Dr. I., Frau Dr. J.) sind von Anfang an im MVZ tätig. Mit Ausnahme von Herrn Dr. A. sind bzw. waren alle Ärzte im MVZ angestellt.

In den Quartalen II/09 bis I/10 nahm die Beklagte jeweils mit Honorarbescheid folgende Festsetzungen vor:

S 12 KA 780/10

S 12 KA 781/10

S 12 KA 158/11

Quartal

II/09

III/09

IV/09

I/10

Honorarbescheid vom

11.10.2009

23.12.2009

27.03.2010

29.06.2010

Widerspruch eingelegt am

14.12.2009

04.03.2010

14.06.2010

01.10.2010

Nettohonorar gesamt in €

3.616.079,49

3.490.632,14

3.195.271,15

3.384.837,65

Bruttohonorar PK + EK in €

3.711.121,49

3.578.464,29

3.275.453,55

3.452.165,31

Fallzahl PK + EK

158.974

156.791

161.048

168.560

Honorar Regelleistungsvolumen in €

2.767,65

1.496,94

1.192,51

2.109,44

Honorar quotiertes Regelleistungsvolumen in €

0,00

327,78

611,00

516,17

Fallwertzuschläge zu Regelleistungsvolumen in €

0,00

0,00

0,00

0,00

Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV)

3.570.616,06

3.432.155,73

3.090.392,83

3.282.686,61

Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV)

137.737,78

144.483,84

183.257,21

166.853,31

Zur Begründung ihres Widerspruchs gegen den Honorarbescheid für das Quartal III/09 trug die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 03.08.2010 vor, sie wende sich gegen eine generalisierende Quotierungsregelung der sog. Vorwegleistungen im Rahmen der Anwendung des sog. Anpassungsindex 100. Dadurch sei nur ein reduzierter Teil ihrer Leistungen vergütet worden. Als “Vorwegleistung„ würden solche Leistungen bezeichnet werden, die außerhalb der Regelleistungsvolumina vergütet würden, jedoch innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) finanziert werden müssten. Durch die Anwendung der aus den sog. Anpassungsindex 100 resultierenden Quotierungen der Vorwegleistungen mit einer Bruttoquote von 92,868 % und einer Nettoquote von 88,225 % sei es zu einem Honorarverlust in Höhe von 249.500,00 € gekommen. Sie verwies auf ihr erfolgloses Bemühen um Auskunft, weshalb sie zwischenzeitlich Klage beim Sozialgericht Marburg zum Aktenzeichen S 12 KA 488/10 erhoben habe. Im Nachgang einer Informationsveranstaltung des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte e. V./Landesgruppe Hessen habe sie sich bisher ohne Antwort an den juristischen Geschäftsführer der Beklagten mit Schreiben vom Juli 2010 gewandt. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass das System der Honorarverteilung zu einer eigentlich unerwünschten Leistungsausweitung im Bereich der sog. Vorableistungen führen müsse. Sie habe keine Möglichkeiten gehabt, ihr vertragsärztliches Leistungsvolumen auszuweiten, da sie alleine auf der Basis von Überweisungen tätig werden könne. Das Honorarverteilungssystem begünstige diejenigen Fachärzte, denen einerseits ein Regelleistungsvolumen zugewiesen worden sei und die andererseits die Möglichkeit hätten, bestimmte Vorableistungen abzurechnen, ohne hierbei auf entsprechende Überweisungen angewiesen zu sein. Bei der Begrenzung der sog. Vorwegleistungen hätte zwischen überweisungsabhängigen und nichtüberweisungsabhängigen Fachgruppen unterschieden werden müssen. Es hätten Mengenbegrenzungen eingeführt werden müssen. Stattdessen würden jetzt “Steuerungsmechanismen„ eingeführt, die einseitig zu Lasten kleinerer Arztgruppen, insbesondere der Fachär...

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