Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. Freistellung von der Teilnahme am organisierten Notfallvertretungsdienst aus gesundheitlichen Gründen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Satzungsbestimmung, nach der eine Freistellung voraussetzt, dass zu gesundheitlichen Gründen oder einer körperlichen Behinderung kumulativ eine nachteilige Auswirkung der gesundheitlichen Verhältnisse auf die allgemeine berufliche Tätigkeit des Vertragsarztes hinzukommen muss, ist rechtmäßig. Eine Satzungsbestimmung kann damit vorsehen, dass gesundheitliche Gründe, selbst wenn sie zur Ungeeignetheit der Versehung des Notfallvertretungsdienstes führen, nicht ausreichend sind, einen Befreiungstatbestand zu begründen.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten und die Gerichtskosten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme am organisierten Notdienst der Beklagten.

Der 1951 geb. und jetzt 55-jährige Kläger ist als Frauenarzt mit Praxissitz in A. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seit 01.01.2002 ist er mit Frau Dr. UH. in Gemeinschaftspraxis auf der Grundlage eines sog. Job-Sharings tätig.

Am 05.01.2004 beantragte der Kläger die Befreiung vom allgemeinen medizinischen Notfalldienst. Er legte eine Ärztliches Attest des Dr. med. S, Facharzt für HNO-Heilkunde mit Datum vom 21.10.2004 sowie der Frau Dr. med. G, Internistin und Kardiologin, mit Datum vom 18.05.2004 vor und trug vor, wegen eines Hörsturzes habe er seine Arbeit im vergangenen Jahr vorübergehend einstellen müssen. Ein Belastungs-EKG habe bereits in der Anfangphase abgebrochen werden müssen. Er habe bereits eine Kollegin im Job-Sharing-Verfahren integriert und damit bewusst auf einen Teil seines Einkommens verzichtet. Hilfsweise möchte er der Notdienstgemeinschaft Wetzlar zugeordnet werden und nicht dem Bereich A./W.. Seine Praxis befinde sich am Ortsrand von A.; sie habe keine Übernachtungsmöglichkeit. Er wohne jedoch in H..

Mit Bescheid vom 17.08.2004 lehnte die Bezirksstelle LL. der Beklagten eine Befreiung vom ärztlichen Notdienst ab. Trotz seiner Beeinträchtigung könne der Kläger die tägliche vertragsärztliche Tätigkeit wahrnehmen. Er könne sich auch einen Vertreter auf eigene Kosten nehmen.

Hiergegen legte der Kläger am 15.09.2004 Widerspruch ein. Er trug vor, es liege ein Ausnahmefall nach § 3 Ziff. 2 der Notdienstordnung vor. Aufgrund seiner mit den Attesten nachgewiesenen Erkrankungen sei die Praxis erheblich zurückgeschraubt worden. Er habe eine Job-Sharing-Assistentin. Er habe seine Sprechstundentätigkeit um 40 % reduziert, da er am Mittwoch und Freitag keine Sprechstunde mehr durchführe. Vor Eintritt der Job-Sharing-Assistentin im Jahr 2001 habe seine Fallzahl etwa 1.900 Fälle/Quartal betragen, nach deren Eintritt seien diese Zahlen mit Ausnahme des Quartals II/02 nicht wieder erreicht worden. Im Quartal IV/04 sei die Fallzahl auf 1.400 Behandlungsfälle zurückgegangen. Der Befreiungstatbestand setze nicht voraus, dass keine vertragsärztliche Tätigkeit mehr möglich sei. Es könne auch nicht eine kostenpflichtige Vertreterbestellung verlangt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2005, dem Kläger zugestellt am 28.09., wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei zur Teilnahme am allgemeinen Notdienst verpflichtet. Ein Befreiungstatbestand liege nicht vor. Die Fallzahlen der Praxis des Klägers lägen im Quartal III/04 um 180 Fälle über dem Durchschnitt der Fachgruppe und im Quartal IV/04 um 235 Fälle darüber. Im Quartal II/02 habe sich der Hörsturz ereignet, dennoch sei es ein Quartal mit den am meisten abgerechneten Fällen (1.920). Im Arztregister seien auch weiterhin Sprechzeiten für Mittwoch und Freitag, jeweils 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr, angegeben. Es bestehe die Möglichkeit einer Vertreterbestellung. Im Zeitraum I/04 bis I/05 sei er zweimal zum Notdienst eingeteilt worden (I und IV/04). Es sei ihm daher zuzumuten, die Dienste auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen. Als Vertreter käme zunächst die Job-Sharing-Partnerin in Betracht.

Hiergegen hat der Kläger am 14.10.2005 die Klage erhoben. Er trägt ergänzend vor, bei den Diensten im März und Oktober 2004 habe es sich um den Wochenend-Hintergrunddienst gehandelt. Tatsächlich sei er zu erheblich mehr Notdiensten eingeteilt worden, wie sich aus den von ihm eingereichten Dienstplänen ergebe. Sämtliche Dienste seien auf seine Kosten von einer Vertreterin übernommen worden. Diese habe die Dienste von ihrem Wohnort ausführen können. Er reichte einen weiteren Befundbericht der Frau Dr. G mit Datum vom 22.02.2006 und des Herrn S vom 27.02.2006 ein. Danach sei seine Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Von einer Teilnahme am ärztlichen Notdienst werde abgeraten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 17.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides

vom 21.09.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn von der

Teilnahme am organisierten a...

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