Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Bestattungskosten. Verpflichteter. Bestattungspflichtiger. Zumutbarkeit der Kostentragung. Verweis auf Erben
Leitsatz (amtlich)
1. Das Verhältnis der Bestattungspflicht nach dem landesrechtlichen Bestattungsrecht zur Kostentragungspflicht der Erben nach § 1968 BGB ist eine Frage der Zumutbarkeit der Kostentragung, nicht eine Frage, ob eine Verpflichtung iS von § 74 SGB XII besteht.
2. Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Einem mittellosen Bestattungspflichtigen ist es regelmäßig zumutbar, sich wegen der Bestattungskosten an den oder die Erben zu wenden. Das ist nicht der Fall, wenn der Nachlass überschuldet ist, die Erben im Wesentlichen vermögenslos sind und der Bestattungspflichtige mit dem Verstorbenen näher verwandt ist.
Tenor
I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 2. Dezember 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. März 2023 verurteilt, der Klägerin Bestattungskosten in Höhe von 2.892,- Euro zu zahlen, direkt an die Kasse der Stadt M-Stadt.
II. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für die Bestattung ihres Ehemanns im Rahmen der Sozialhilfe.
Die am 1948 geborene Klägerin bezog zusammen mit ihrem Ehemann H1. aufstockend zu Altersrenten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von zusammen monatlich etwa 700,- Euro.
Wegen Aufnahme des Ehemanns der Klägerin in eine stationäre Einrichtung wurde die Übernahme der Kosten der stationären Pflege bei Beklagten beantragt. Der Ehemann verstarb am 13.08.2021 in der stationären Einrichtung. Die Klägerin bezog weiterhin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Der Beklagte übermittelte der Klägerin ein Antragsformular für die Bestattungskosten. Diesen Antrag erreichte die Klägerin am 30.08.2021 ein. Sie besitze kein Vermögen. Als weitere Verwandte des Verstorbenen benannte die Klägerin drei Söhne, von zweien dieser Söhne sei ihr der Aufenthalt unbekannt, und eine Tochter. Die Klägerin gab die Bestattung des Verstorbenen in Auftrag. Sie erhielt vom städtischen Bestattungsunternehmen die Rechnung vom 22.09.2021 über insgesamt 2.892,- Euro, davon 1.106,- Euro für Bestattungsleistungen und 1.786,- Euro an Friedhofsgebühren. Fälligkeitstermin war der 20.10.2021.
Am 23.09.2021 teilte das am Amtsgericht M-Stadt dem Beklagten mit, dass das Nachlassverfahren noch laufe. Aus der vom Sozialgericht beigezogenen Akte des s ergibt sich, dass der Ehemann zum Todeszeitpunkt über ein Vermögen von 3,14 Euro verfügte. Es meldeten sich im Nachlassverfahren mehrere Gläubiger des Verstorbenen, die unter anderem Forderungen in Höhe von 2.431,- Euro und 1.238,- Euro geltend machten. Am 22.09.2021 erfolgte am ein Termin in dem Nachlassverfahren. Drei der als Erben berufenen Kinder des Verstorbenen schlugen die Erbschaft aus, später auch das vierte Kind. Der Sohn des Verstorbenen H2. erklärte zugleich die Ausschlagung des Erbes für vier seiner fünf Kinder als nächstberufene Erben, namentlich C. (geboren am 2006), J., N. und A.. Das fünfte Kind, S., ist geboren am 2003 und war damit soeben volljährig. Die Töchter C. und S. wohnten bei ihrer Mutter in F-Stadt. Die in M-Stadt wohnhafte Mutter von J., N. und A. erklärte am 04.11.2021 die Ausschlagung des Erbes für diese Kinder. Mit Vermerk vom 25.11.2021 stellte das fest, dass die Enkelinnen des Verstorbenen C. und S. die Erbschaft durch Fristablauf angenommen hätten.
Mit Bescheid vom 02.12.2021 lehnte der Beklagte die Übernahme der Bestattungskosten ab. Als Ehefrau sei die Klägerin zwar gemäß Art. 15 Bayerisches Bestattungsgesetz (Bay BestG) zur Tragung der Bestattungskosten grundsätzlich verpflichtet, jedoch seien die Erben nach § 1968 BGB vorrangig verpflichtet. Gemäß § 2 SGB XII werde der Antrag abgelehnt, weil ein vorrangiger Anspruch gegen andere auf Ersatz von Bestattungskosten bestehe. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2023 als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin sei zwar zur Bestattung verpflichtet, jedoch seien die Erben vorrangig zu Kostentragung verpflichtet.
Die Klägerin hat am 20.03.2023 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Die Klägerin sei gemäß Art. 15 Bay BestG zur Bestattung verpflichtet. Im Übrigen seien die weiteren Erben eine minderjährige Schülerin (C.) bzw. eine gerade Volljährige in Berufsausbildung (S.). Die beiden Erbinnen seien der Klägerin weitgehend unbekannt. Der Vater der Erbinnen und Sohn des Verstorbenen befinde sich in ständigen Auseinandersetzungen wegen deren Unterhalt. Die Bestattungskosten seien noch nicht beglichen worden.
Die Klägerin beantragt,
dem Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 02.12.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2023 zu verurteilen, Bestattungskosten der Klägerin in Höhe von 2.892,- Euro zu gewähren, zahlbar direkt an die Kasse der Stadt M-Stadt.
Der Bekla...