Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenübernahme einer Kryokonservierung des Eierstockgewebes

 

Orientierungssatz

Zum Anspruch auf Erstattung der Kosten einer Kryokonservierung des Eierstockgewebes und zugehöriger Maßnahmen im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung sowie der weiteren Kosten der Kryokonservierung des eingelagerten Eierstockgewebes.

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 14.07.2020 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 16.01.2021 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verpflichtet, die Kosten der Kryokonservierung des Eierstockgewebes und zugehöriger Maßnahmen gemäß den Rechnungen des Universitätsklinikums B-Stadt vom 16.09.2020 und vom 28.09.2021 in Höhe von insgesamt 732,75 Euro zu erstatten

III. Die Beklagte wird verpflichtet, die weiteren Kosten der Kryokonservierung des eingelagerten Eierstockgewebes bis zum Zeitpunkt der Umsetzung des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschuss vom 18.08.2022 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab zu übernehmen.

IV. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig sind die Erstattung der Kosten der Kryokonservierung von Eierstockgewebe und zugehöriger Maßnahmen gemäß den Rechnungen des Universitätsklinikums B-Stadt vom 16.09. 2020 und vom 28.09.2021 in Höhe von insgesamt 732,75 Euro und die Übernahme der weiteren Kosten der Kryokonservierung des eingelagerten Eierstockgewebes bis zum Zeitpunkt der Umsetzung des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) vom 18.08.2022 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab.

Die 2000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Am 16.06. 2020 wurde bei der Klägerin Lymphdrüsenkrebs festgestellt. Laut dem Bericht des Tumorboards des L. Klinikums vom 08.07.2020 wurde der Klägerin eine keimzellenschädigende Chemotherapie empfohlen; die Klägerin wurde zugleich über die Möglichkeit der Kryokonservierung von Keimzellengewebe informiert. Die Klägerin beantragte mit der

E-Mail vom 13.07.2020 die Kostenübernahme für die Krankenhausbehandlung zum Zwecke der Entnahme von Eierstockgewebe und für die Kryokonservierung des Eierstockgewebes.

Mit dem Bescheid vom 14.07.2020 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme der Entnahme von Keimzellengewebe und der Kryokonservierung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der neu gefasste § 27a SGB V zwar die Kostenübernahme einer Kryokonservierung von Eierstockgewebe ermögliche, der GBA die erforderliche Richtlinie jedoch noch nicht erlassen habe.

Die Entnahme des Eierstockgewebes wurde parallel zur Implantation eines Ports im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts vom 22. bis zum 24.07.2020 durchgeführt.

Mit dem Schreiben vom 08.08.2020 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.07.2020. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kryokonservierung von Eierstockgewebe nicht unter § 27a SGB V falle. In ihrem Fall diene die Kryokonservierung von Eierstockgewebe dazu, die natürliche Empfängnisfähigkeit wiederherzustellen und sei folglich eine Krankenbehandlung nach § 27 SGB V. Dies habe das BSG im Urteil vom 10.02.2010 klargestellt und darauf werde zudem in der Gesetzesbegründung zu § 27a Abs. 4 SGB V (BT-Drs. 19/6337, S. 84) hingewiesen.

Das Universitätsklinikum B-Stadt stellte der Klägerin mit dem Schreiben vom 16.09.2020 für die Untersuchung und Kryokonservierung des Eierstockgewebes 417,75 Euro in Rechnung.

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 26.01.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Anspruch auf Leistungen zur künstlichen Befruchtung in § 27a SGB V geregelt sei. Nach § 27a Abs. 5 SGB V bestimme der GBA in einer Richtlinie die Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen. Da die Richtlinie noch nicht in Kraft getreten sei, könne sie nicht als Rechtsgrundlage für eine Kostenübernahme herangezogen werden. Auch eine Kostenübernahme nach § 27 Abs. 1 SGB V komme nicht in Betracht. Gemäß § 2 SGB V müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Doch die Kryokonservierung und Transplantation von Keimzellengewebe entsprachen nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse.

Mit dem Schreiben vom 22.02.2021 hat die Klägerin die Klage erhoben. Sie verlangt die Erstattung der Kosten der Kryokonservierung von Eierstockgewebe gemäß den Rechnungen des Universitätsklinikums A-Stadt vom 16.09.2020 und vom 28.09.2021 in Höhe von insgesamt 732,75 Euro und die Übernahme der weiteren Kosten der Kryokonservierung des eingelagerten Eierstockgewebes bis zum Zeitpunkt der Umsetzung des Beschlusses des GBA vom 18.08.2022 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab.

Das Universitätsklinikum B-Stadt hat der Klägerin mit dem Schreiben vom 28.09.2021 für die fortgesetzte Kryokonservierung des Eierstockgewebes 315,00 Euro in Rechnung gestellt.

Mit dem Befundbericht des L. Klinikums vom 01.09.2022 ist erläutert worden, dass die Kryokonservierung von Ovarialgewebe entsprechen...

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