Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Nichtigkeit der nach § 240 Abs 1 S 1 SGB 5 erlassenen Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler). fingierte Mindesteinnahmen als Beitragsbemessungsgrundlage
Orientierungssatz
1. Die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen aufgrund des § 240 Abs 1 S 1 SGB 5 erlassenen Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) sind unwirksam.
2. Da der Spitzenverband Bund der Krankenkassen nicht zu den in Art 80 Abs 1 S 1 GG genannten Verfassungsorganen gehört, die durch Bundesgesetz zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt werden können, kann § 240 Abs 1 S 1 SGB 5 verfassungskonform allenfalls so ausgelegt werden, dass sich die Regelung der Beitragsbemessung, zu der die Vorschrift den Spitzenverband Bund der Krankenkassen ermächtigt, im Wege der Satzung zu erfolgen hat. Als Satzung aber sind die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler aus zwei Gründen nicht wirksam erlassen worden: Erstens wurden sie vom Vorstand und nicht vom Verwaltungsrat als Selbstverwaltungsorgan erlassen, der hierfür gemäß § 217e Abs 1 S 1 SGB 5 zuständig gewesen wäre. Zweitens fehlte die gemäß § 217e Abs 1 S 2 SGB 5 für Satzungen vorgeschriebene Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde.
3. Selbst wenn man in § 217e Abs 2 SGB 5 eine mit Art. 80 Abs 1 S 1 GG vereinbare Ermächtigung zum Erlass untergesetzlicher Rechtsnormen sähe, die weder Satzung noch Rechtsverordnung darstellen, läge die Organzuständigkeit hierfür gemäß § 217b Abs 1 S 3 SGB 5 in Verbindung mit § 197 Abs 1 Nr 1b SGB 5 beim Verwaltungsrat und nicht beim Vorstand, weil es sich bei der Regelung der Beitragsbemessung nach § 240 Abs 1 S 1 SGB 5 um Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung handelt.
4. Der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung können deshalb derzeit nur die in § 240 Abs 4 S 1 SGB 5 fingierten Mindesteinnahmen zugrunde gelegt werden.
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 18.12.2008, geändert durch Bescheid vom 20.01.2009, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2009 und in der Fassung des weiteren Änderungsbescheides vom 12.10.2009 wird insoweit aufgehoben, als monatliche Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von mehr als
- 125,16 € im Zeitraum vom 01.01. bis zum 30.06.2009,
- 120,12 € im Zeitraum vom 01.07. bis zum 31.12.2009 und
- 121,79 € für die Zeit seit dem 01.01.2010
festgesetzt wurden.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bei freiwilliger Mitgliedschaft.
Die 1951 geborene Klägerin ist bei der Beklagten freiwillig gesetzlich krankenversichert.
Mit Unterschriften vom 12. und 17.06.2002 schloss die Klägerin mit ihrem früheren Arbeitgeber, der I.-GmbH, eine Auflösungsvereinbarung, durch die ihr Arbeitsverhältnis beendet wurde, ihr jedoch Leistungen nach dem Frühpensionierungsprogramm der I.-GmbH zugesagt wurden. Über diese Leistungen erhielt die Klägerin am 16.07.2002 nochmals eine schriftliche Zusage. Danach erhielt die Klägerin bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres folgende monatliche Leistungen von der I.-GmbH:
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1. vorgezogene I.-Altersrente |
564 € |
2. Subvention des versicherungsmathematischen Abzuges (VMA-Subvention) |
172 € |
3. Befristetes Übergangsgeld |
742 € |
4. Befristeter Sozialversicherungszuschuss |
306,78 € |
Monatliche Gesamtleistung |
1.784,78 € |
Es handelte sich jeweils um Bruttowerte. |
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Neben den Einnahmen aus dem Frühpensionierungsprogramm der I.-GmbH verfügt die Klägerin über Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen.
Mit Bescheid vom 18.12.2008 setzte die Beklagte die laufenden monatlichen Beiträge der Klägerin ab dem 01.01.2009 in der Krankenversicherung auf monatlich 379,04 € und in der Pflegeversicherung auf monatlich 48,20 € fest. Auf den Widerspruch der Klägerin vom 27.12.2008 hin korrigierte die Beklagte durch Bescheid vom 20.01.2009 die laufenden monatlichen Beiträge der Klägerin ab 01.01.2009 auf 347,65 € in der Krankenversicherung und auf 44,09 € in der Pflegeversicherung. Den dagegen von der Klägerin am 15.02.2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 19.08.2009 als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 17.09.2009 beim Sozialgericht München die vorliegende Klage erhoben.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte durch Bescheid vom 12.10.2009 die monatlichen Beiträge der Klägerin mit Wirkung vom 0...