Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrags(zahn)arztangelegenheiten
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn die vertragsärztliche Tätigkeit lediglich einen so geringen Umfang hat, dass von einer Wahrnehmung des mit der Zulassung verbundenen Versorgungsauftrags und einer ernsthaften Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht mehr gesprochen werden kann, ist der Tatbestand des § 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 27 Ärzte-ZV (Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit) als erfüllt anzusehen und die Zulassung zu entziehen.
2. Weist ein Vertragsarzt unter 10 % der Fallzahlen der Vergleichsgruppe auf, ist er in einem Umfang tätig, der annähernd der gänzlichen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit gleichzusetzen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2010, Az L 5 KA 2155/09; SG München, Urteil vom 11.10.2011, Az S 38 KA 1338/09).
3. Die Tätigkeit am Vertragsarztsitz muss alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zeitlich insgesamt überwiegen. Dies folgt aus § 95 Abs. 3 SGB V, § 24 Ärzte-ZV, §§ 17 Abs. 1a S. 3 BMV-Ä, 17 Abs. 1a S. 3 in Verbindung mit § 15a Abs. 4 S. 8 BMV-Ä und § 39 Abs. 3 BMV-Ä hin. Aus all diesen Regelungen ist eine enge Bindung des Versorgungsauftrages an den Vertragsarztsitz zu entnehmen.
4. Eine über das übliche hinausgehende, zum Großteil freiwillige Übernahme von Tätigkeiten im Bereitschaftsdienst ersetzt nicht die im Vordergrund stehenden vertragsärztlichen Tätigkeiten am Vertragsarztsitz. Tätigkeiten im Rahmen des Bereitschaftsdienstes sind daher nicht mit zu berücksichtigen.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Gegenstand der Klage ist der Bescheid des beklagten Berufungsausschusses aus der Sitzung vom 12.10.2017. Dieser bestätigte die Entscheidung des Zulassungsausschusses mit dem Inhalt, dass der Klägerin, die seit 1.7.1992 als Ärztin zugelassen ist, die Zulassung entzogen wurde. Der Beklagte stützte seine Entscheidung auf § 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 27 Ärzte-ZV. Die Klägerin habe im Zeitraum der Quartale 1/16 - 4/16 lediglich 27 Fälle abgerechnet, während die Vergleichsgruppe allein in einem Quartal 884 Fälle abgerechnet habe. Dies bedeute, dass lediglich 6,75 Fälle bei der Klägerin pro Quartal zur Abrechnung gelangten. Die Klägerin biete zwar Sprechstunden an. Diese seien aber im Vergleich zu den anderen Tätigkeiten nicht überwiegend. Die ärztliche Tätigkeit im Bereitschaftsdienst/Notdienst allein reiche nicht aus. Der Bereitschaftsdienst stelle eine Annex-Leistung zur Niederlassung in freier Praxis dar. Im Übrigen müsse der Bereitschaftsdienst auch außerhalb der Sprechstundenzeiten stattfinden. Aus §§ 17 Abs. 1a S. 3 BMV-Ä, 17 Abs. 1a S. 3 in Verbindung mit § 15a Abs. 4 S. 8 BMV-Ä und § 39 Abs. 3 BMV-Ä ergebe sich, dass die Tätigkeit am Vertragsarztsitz alle anderen Tätigkeiten überwiegen müsse. Deshalb sei der Klägerin die Zulassung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit zu entziehen.
Dagegen ließ die Klägerin Klage zum Sozialgericht München einlegen. Zunächst wurde darauf hingewiesen, die Klägerin habe im Jahr 2016 878 GKV-Patienten behandelt. Denn die Tätigkeit im Bereitschaftsdienst sei mit einzubeziehen. Dies habe zur Folge, dass die Fallzahl in der klägerischen Praxis pro Quartal 200 betrage. Damit liege die Klägern deutlich über 20 % des Fachgruppendurchschnitts. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin bezog sich außerdem auf mehrere Schreiben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, nämlich vom 13.11.2017, 19.11.2017, 6.12.2017 und 21.12.2017. Es wurde außerdem darauf hingewiesen, aus den Gesamtübersichten der KVB für das Quartal 4/15 ergebe sich eine Gesamtfallzahl von 251.
Hierzu nahm die Beklagte Stellung. Sie führte aus, dies treffe zwar zu, jedoch entfielen von den 251 Fällen allein 241 auf Notfälle und lediglich 10 stellten sogenannte Originalfälle dar.
Die Sach-und Rechtslage wurde mit den anwesenden Beteiligten in der mündlichen Verhandlung besprochen.
Die Klägerseite betonte abermals, ihres Erachtens gehöre der Bereitschaftsdienst zur vertragsärztlichen Versorgung, weshalb es nicht angehen könne, diese Fälle herauszurechnen. Es sei auch der Umstand zu berücksichtigen, dass die Klägerin eigentlich Leistungen erbringe, zu denen jeder Vertragsarzt verpflichtet sei. Wenn jeder Vertragsarzt bereit wäre, Bereitschaftsdienste zu leisten, würden diese Fälle nicht bei der Klägerin entstehen.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte, den Beschluss des Beklagten vom 12.10.2017, ausgefertigt am 21.1.2018, aufzuheben.
Der Beklagtenvertreter beantragte, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Die Vertreterin der Beigeladenen zu 1 stellte keinen Antrag.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 2.10.2018 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Gegenstand d...