Entscheidungsstichwort (Thema)
Genehmigungsfiktion eines Leistungsantrags des Versicherten bei nicht fristgerechter Bescheidung durch die Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB 5 stellt eine Ausnahme vom Sachleistungsprinzip und damit eine Sanktionsmöglichkeit gegen die Krankenkasse dar, die nicht in dem gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum über einen Leistungsantrag des Versicherten entscheidet.
2. Bei der beantragten Leistung muss es sich um eine solche handeln, die der Versicherte für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Das ist bei der sog. Gastring-banding-Operation - Anlage eines Schlauchmagens - der Fall.
3. Die Genehmigungsfiktion bezieht sich sowohl auf den Sachleistungsanspruch des Versicherten als auch auf die nachträgliche Kostenerstattung einer selbstbeschafften Leistung.
4. Eine Rücknahme des fingierten Verwaltungsaktes nach § 45 SGB ist ausgeschlossen.
Tenor
I. Der Bescheid vom 02.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2016 wird aufgehoben.
II. Die Beklage wird verurteilt, die Klägerin aufgrund der gemäß § 13 Abs. 3a Satz. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eingetretenen Genehmigungsfiktion mit einer mehrschrittigen stationären adipositaschirurgischen Maßnahme (1. Schritt: Schrittmacherexplantation, 2. Schritt: Schlauchmagenanlage, sog. “sleeve gastrectomy„) als Sachleistung zu versorgen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die 1981 geborene, bei der Beklagten im Rahmen einer Beschäftigtenversicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherte Klägerin auf ihren Antrag vom 23.12.2015 mit einer mehrschrittigen stationären adipositaschirurgischen Maßnahme als Sachleistung im Rahmen eines vollstationären Krankenhausaufenthaltes zu versorgen.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 23.12.2015, bei der Beklagten nach dem von der Klägerin vorgelegten Faxsendebericht noch am selben Tag eingegangen, beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage ärztlicher Atteste bzw. antragsbefürwortender Schreiben der C. GmbH, des Facharztes für Innere Medizin H. C., des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. M. D., der Fachärzte für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie Dres. E. sowie einer Bestätigung der Ernährungsambulanz des Adipositas Zentrums F-Stadt über wiederkehrende Ernährungsberatung in den Jahren 2012 bis 2015 die Kostenübernahme für eine mehrschrittige stationäre adipositaschirurgische Maßnahme (1. Schritt: Schrittmacherexplantation, 2. Schritt: Schlauchmagenanlage). Mit Schreiben vom 08.01.2016 bestätigte die Beklagte den Antragseingang der Klägerin und teilte mit, sie habe den Antrag dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Prüfung der medizinischen Voraussetzungen vorgelegt und könne das Anliegen der Klägerin daher noch nicht abschließend beurteilen. Sie werde die Klägerin informieren, sobald sie neue Erkenntnisse habe.
Mit Schreiben vom 08.01.2016 beauftragte die Beklagte den MDK Bayern mit der Bitte um Prüfung, ob die Voraussetzungen für den geplanten adipositas-chirurgischen Eingriff vorlägen.
Nach dem nach Aktenlage erstellten sozialmedizinischen Gutachten des MDK Bayern vom 01.02.2016, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wird auf der Grundlage der vorliegenden Befunde der Klägerin die Kostenübernahme für eine adipositas-chirurgische Maßnahme nicht empfohlen. Eine ultima-ratio-Indikation könne im vorliegenden Fall nicht abgeleitet werden, da anhand Unterlagen Kontraindikationen nicht ausgeschlossen seien, keine aktuellen Essprotokolle, keine Erklärungen zu dem erneute Gewichtsanstieg und keine datierte Gewichtsverläufe sowie Befunde zu einer psychiatrischen Grunderkrankung vorlägen.
Mit Bescheid vom 02.02.2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme für eine Schlauchmagenoperation unter Bezugnahme auf die sozialmedizinische Beurteilung des MDK ab. Vorsorglich werde zugleich für den Fall des Eintritts einer Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die fiktive Genehmigung in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben.
Dagegen hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 04.03.2016 (Eingang bei der Beklagten am 04.03.2016) Widerspruch erhoben.
Am 16.02.2016 hat die Klägerin Feststellungsklage zum Sozialgericht München erhoben, mit welcher sie ihr Begehren aus dem Widerspruchsverfahren auf Versorgung mit einer mehrschrittigen adipositas-chirurgischen Maßnahme weiter verfolgt.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2016 zurück. Mit Schriftsatz vom 08.08.2016 erklärte der Bevollmächtigte der Klägerin, er stelle prozessual auf eine Leistungsklage um.
Die Klägerin bean...