Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen und Grenzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs - private Auslandskrankenversicherung - gesetzliche Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Voraussetzung des öffentlich rechtlichen Erstattungsanspruchs ist eine Vermögensverschiebung in einem öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnis ohne Rechtsgrund und ohne Vertrauensschutz des Empfängers.
2. Zwischen einer privaten Auslands-Krankenversicherung als Antragsteller und einer gesetzlichen Krankenkasse als Antragsgegner besteht kein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis. Damit ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ausgeschlossen.
3. Zwischen einer privaten Krankenversicherung und einer gesetzlichen Krankenkasse besteht kein privatrechtliches Rechtsverhältnis, mit der Folge, dass ein Anspruch aus §§ 812 ff. BGB ausgeschlossen ist.
4. Eine Ausgleichsregelung nach § 78 VVG ist nicht anwendbar, weil das VVG nur für die Beziehungen privater Versicherter untereinander gilt.
5. Die Anwendungen der §§ 677 ff. BGB ist ausgeschlossen, soweit es bei einem öffentlichen Geschäft um die Erfüllung von Aufgaben einer Behörde geht, die in der ausschließlichen Zuständigkeit oder im Ermessen dieser Behörde liegen.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.978,23 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine private Auslands-Krankenversicherung (im Folgenden: PKV) und hat die bei der Beklagten als gesetzliche Krankenversicherung (im Folgenden: GKV) Versicherte … privat gegen Krankenrisiken im Ausland versichert. Nach den von ihr vorgelegten allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für Auslandsreise Krankenversicherung (KVB-AKV Gold Kreditkarte 2012) ist Versicherer die "… Insurance plc", Niederlassung für Deutschland und "Risikoträger" die Klägerin.
… war im maßgeblichen Zeitpunkt der ärztlichen Behandlung im Ausland, sowohl bei der Klägerin als auch bei der Beklagten Versichert. Die Klägerin trägt vor, dass sie der Versicherten … für die ärztlichen Auslandsbehandlung in der Türkei 2.978,23 Euro erstattet habe.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten als GKV, die Erstattung der Kosten, die sie an die Versicherte bezahlt hat, welche jedoch auch von der Beklagten übernommen worden wären.
Nach § 10 der genannten AVB ist bezüglich des Erstattungsanspruchs der Klägerin geregelt:
"1. Steht dem Versicherten ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherten geltend gemacht werden.
2. Der Versicherte hat seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken. Verletzt der versicherte diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann. Im Falle einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer .berechtigt seihe Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherten entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherte."
Mit der vorliegenden am 09.02.2015 beim Amtsgericht Aachen eingegangenen (Stufen-)Leistungsklage versucht die Klägerin für die Versicherte der Beklagten einen direkten Erstattungsdurchgriff gegen die Beklagte als GKV unter Ausklammerung der Versicherten zu erreichen. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, welchen sie aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Urteil vom 03. April 2014 - B 2 U 21/12 R BSGE 115, 247-256, SozR 4-7610 § 812 Nr 7 ableitet sowie auf die ungerechtfertigte Bereicherung, gemäß § 812ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die Geschäftsführer ohne Auftrag und den Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426. BGB/§ 78 VVG.
Die Klägerin beantragt
I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welcher Höhe die Beklagte als gesetzliche Krankenversicherung der Versicherungsnehmerin …, geb. …, deren Krankheitskosten aus der ärztlichen Behandlung vom 15.05.2013 der Türkei aufgrund der bestehenden gesetzlichen Krankenversicherung nach ihren Statuten zu erstatten hätte.
II. Die Beklagte wird verurteilt den sich aus der Auskunftserteilung gemäß Ziffer I. ergebenden Betrag nebst gesetzlichen Zinsen seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist darauf, dass die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des BSG vorliegend nicht anwendbar sei. Die Klägerin habe zudem mit der Leistung keine Leistung der Beklagten, sondern ihre eigene vertragliche Leistungspflicht erfüllen wollen. Zwischen der GKV und der PKV bestehe kein Gesamtschuldverhältnis. Hierzu verweist die Beklagte auf das Rundschrei...